Jun ‍‍2016 - תשעו / תשעז

Daf Paraschat Bechukotai 5776

Paraschat Bechukotai
Schabbat Mewarchim

Daf Bechukosai 5776

Wajikra 26:3 – 27:34
Haftara: Jirmijahu 16:19 – 17:14

3./4. Juni 2016
27. Ijar 5776

Die Parascha in Kürze

• Die Belohnung für das Einhalten der Gebote und die Bestrafung für deren Übertretung werden aufgeführt
• Freiwillige Spenden an den Tempel

Konzept der Woche
וְרָדְפוּ מִכֶּם חֲמִשָּׁה מֵאָה וּמֵאָה מִכֶּם רְבָבָה יִרְדֹּפוּ וְנָפְלוּ אֹיְבֵיכֶם לִפְנֵיכֶם לֶחָרֶב:
„Es verfolgen eurer fünf hundert, und hundert von euch verfolgen zehntausend, und es fallen eure Feinde dem Schwert vor euch hin (26:8).”

Raschi fragt zu diesem Vers, warum das erste Zahlenverhältnis von 1:20 (wenn fünf Menschen hundert Feinde verfolgen) nicht erhalten bleibt, wenn hundert jüdische Soldaten ihre Feinde verfolgen. Es hätte doch dort statt „zehntausend“ nur „zweitausend“ heißen sollen! Raschi erklärt, gestützt auf den Sifra (Midrasch zu Wajikra), dass es eben nicht dasselbe ist, wenn wenige die Tora erfüllen, wie wenn viele die Tora erfüllen. Das bedeutet, dass Einigkeit im jüdischen Volk eine große Kraft innewohnt.
Wir sind mitten in der Omerzeit und zählen jede Nacht den jeweiligen Tag des Omer, bis wir nach 49 Tagen an Schawuot die Übergabe der Tora an das jüdische Volk feiern. Die Omerzeit ist eine Periode der Trauer, in der wir der katastrophalen Seuche gedenken, der 24.000 Schüler von Rabbi Akiva vor knapp zweitausend Jahren zum Opfer gefallen sind. Die Ursache dieses Sterbens lag allerdings nicht an einem besonders aggressiven Virus oder Bakterium, sondern am Verhalten der Schüler Rabbi Akivas untereinander. Diese Schüler gehörten zur intellektuellen Crème de la crème der damaligen jüdischen Gesellschaft und hohe Anforderungen wurden an sie auf allen Ebenen gestellt. Ein Toragelehrter ist eben nicht nur ein Mensch, der über großes Torawissen verfügt, sondern er muss alle Werte der Tora mit jeder Faser seiner Existenz leben. Dazu gehören Respekt, Empathie und Rücksicht allen Mitmenschen gegenüber. Der Talmud spricht im Traktat Yevamot 62b nicht von 24.000 Schülern, sondern von 12.000 Paaren von Schülern, woraus schon abzulesen ist, dass es ihnen an אַחְדוּת – Einigkeit – mangelte. Des Weiteren sagt der Talmud dort, dass der Grund für ihren Tod in der kleinen Zeitspanne zwischen Pessach und Schawuot mangelnder gegenseitiger Respekt war. Die Partner eines Paares hielten wenig voneinander und beide hielten auch nicht viel von den anderen 11.999 Schülerpaaren. Sie erkannten nicht, dass es nur gemeinsam gelingen kann, auf einem hohen Niveau die 48 Eigenschaften, mit denen Tora erworben wird (Pirkej Awot 6:6), zu erreichen.
Die Omerzeit, also die Wochen zwischen Pessach und Schawuot, ist die Zeit, in der wir uns auf die Übergabe der Tora vorbereiten, indem wir besonders bewusst versuchen, an unseren מִדוֹת (Charaktereigenschaften) zu arbeiten und sie zu verbessern. Als Vorbild können wir uns das jüdische Volk nach dem Auszug aus Ägypten nehmen, das in den Jahren der ägyptischen Knechtschaft so tief spirituell gesunken war und nun nach der Befreiung auf spirituelle Höhen klomm, auf denen es die Tora empfangen durfte. Rabbi Akivas Schüler standen schon auf einem hohen Niveau, aber sie versäumten es, selbst als das Sterben ihrer Mitschüler sie hätte aufrütteln können, an der wichtigen Midda (Charaktereigenschaft) der Liebe dem Mitmenschen gegenüber zu arbeiten. Rabbi Akiva war es nicht gelungen, seinen Leitsatz אָמַר רַבִּי עַקִיבָא: וְאָהַבְתָּ לְרַעֲךָ כַּמוֹךָ, זֶה כְלָל גָּדוֹל בַּתּוֹרָה – Rabbi Akiva sagte: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst (Wajikra 19:18), das ist eine grundlegende Regel in der Tora – umzusetzen. Er ließ sich jedoch nicht beirren und begann erneut mit fünf Schülern. Darunter war Rabbi Schimon Bar Jochai, der uns den heiligen Sohar (Grundlage der Kabbala) hinterlassen hat und dessen Jahrzeit wir an Lag BaOmer, am 33. Tag der Omerzeit, begangen haben.
Unser Ziel sollte es sein, danach zu streben, immer einig zu sein, wie es das jüdische Volk vor der Übergabe der Tora am Berg Sinai war: כְּאִיֹש אֶחָד בְּלֵב אֶחָד – wie ein Mann, mit einem Herzen – denn das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Frage der Woche: Warum heißt es in Vers 26:4, dass der Regen fallen wird גִשְׁמֵיכֶם בְּעִתָּם – zur rechten Zeit? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.

Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Warum nennt man, wenn man einem anderen Menschen Geld leiht, „ihm Leben zu geben“? Alschich (Rav Mosche Alschich, 1508-1593) erklärt, dass ein armer Mensch als tot angesehen wird und man ihm „Leben gibt“, wenn man ihm Geld leiht.
Biographie der Woche

Rabbi Meir ben Baruch

Maharam von Rothenburg

Jahrzeit 19. Ijar

Rabbiner Meir ben Baruch wurde um das Jahr 1220 in Worms geboren. Er entstammte einer Familie von Toragelehrten und sein erster Lehrer war sein Vater Baruch. In seiner Jugend studierte er in Würzburg und Mainz an den Jeschiwot der führenden Talmudlehrer seiner Zeit. Danach lernte er weiter in Paris, vor allem bei Rabbiner Jechiel ben Joseph (ca. 1190-ca. 1268), der als bedeutender Toragelehrter den Talmud vor König Ludwig IX. von Frankreich verteidigte. Rabbiner Meir wurde 1242 Augenzeuge der öffentlichen Talmudverbrennung von Paris, wo 24 Wagenladungen (10 000 bis 12 000 Bände) des Talmuds zerstört wurden. Er schrieb das Trauerlied „Scha’ali Serufa“ darüber, das bis heute an Tischa BeAw zitiert wird.
Er verbrachte anschließend mehr als 40 Jahre in Rothenburg ob der Tauber, wo er eine Jeschiwa gründete, die Schüler aus ganz Europa anzog, unter anderen Ascher ben Jechiel (1250-1327), den „Rosch“. Sein umfassendes Wissen machte ihn zu einer namhaften Autorität, der viele halachische Fragen angetragen wurden. Etwa 1500 seiner Responsen sind bis heute erhalten, die auch ein Licht auf das jüdische Leben jener Zeit werfen. Er war einer der Tosafisten, der mittelalterlichen Kommentatoren der Gemara.
1286 beschloss er, mit seiner Familie aufgrund der neuerlichen antisemitischen Gesetzgebung nach Palästina auszuwandern. Er wurde auf dem Weg allerdings denunziert und in der elsässischen Festung Ensisheim von Kaiser Rudolf I. gefangen gehalten. Sein Schüler Ascher ben Jechiel verhandelte erfolgreich seine Freilassung, aber der Maharam weigerte sich, für diese hohe Lösegeldsumme freizukommen, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. Er starb 1293 in Gefangenschaft und sein Körper wurde erst nach Zahlung eines sehr hohen Lösegelds 14 Jahre später freigegeben und auf dem jüdischen Friedhof zu Worms bestattet.

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