Feb ‍‍2022 - תשפב / תשפג

TERUMA

Erinnerung an den Sinai

Warum die Israeliten in der Wüste ein transportables Heiligtum bauen sollten

Und sie sollen mir ein Heiligtum errichten, dass ich mitten unter ihnen wohne» (2. Buch Mose 25,8). Mit dieser Aufforderung wird in der Tora, im Wochenabschnitt Teruma, der Bau des Mischkans, des tragbaren Stiftzeltes in der Wüste, des Vorläufers des Tempels, eingeleitet.

Unsere Weisen sagen, dass Mosche sich große Sorgen darüber machte, wie er, ein Mensch aus Fleisch und Blut, eine spirituelle und heilige Stätte wie einen Mischkan mit materiellen Rohstoffen und Werkzeugen errichten sollte.

DILEMMA Der Midrasch erläutert für uns Mosches Dilemma mit einem Gleichnis von einem sehr gut aussehenden und charismatischen König, der dem bekanntesten Künstler im Land befahl, ein Porträt von ihm zu malen. Der Künstler antwortete: «Wie könnte ich die Pracht und den Glanz des Gesichts Eurer Majestät auf bloßer Leinwand reproduzieren?» Der König erwiderte: «Du mit deiner Farbe und ich mit meiner Herrlichkeit» (Midrasch Rabba 35,6).

Auch die Antwort des Ewigen an Mosche war: «Benutze die Materialien und Werkzeuge, die dir zur Verfügung stehen, und Ich werde dafür sorgen, dass Meine Herrlichkeit und Meine Gegenwart dort ruhen.»

Die Schwierigkeit der Aufgabe besteht oft darin, zu verstehen, dass das Ergebnis unseres Handelns nicht unbedingt direkt etwas mit den Anstrengungen zu tun hat, die wir dafür unternehmen. Wie die Mischna in Pirkej Awot sagt: «Es ist nicht an dir, die Arbeit zu vollenden, aber du bist auch nicht frei, dich der Arbeit zu entziehen» (2,21).

ARBEIT Der Tiferet Jisrael erklärt, dass wir die Arbeit an etwas nicht aufgeben sollen, nur weil wir das Gefühl haben, dass wir sie nicht beenden können. Denn sehr oft ist es gar nicht unsere Aufgabe, die Arbeit zu vollenden, sondern wir sollen sie lediglich beginnen und damit etwas in die Welt setzen, was andere später übernehmen und weiterführen können.

Genau das sagte der Ewige zu Mosche: «Du tust dein Bestes, um Meine Wohnstätte, Mein Heiligtum zu bauen und sollst dir keine Sorge über das Ergebnis machen, denn der Rest ist Meine Aufgabe und ist für Mich zu bewältigen. Und wenn du dein Bestes tust, dann werde Ich dafür sorgen, dass Meine Herrlichkeit dort für immer verweilt.»

Rabbiner Daniel King versteht die Aussage «Verwende die Materialien, die dir zur Verfügung stehen, und Ich werde dafür sorgen, dass meine Herrlichkeit dort ruht» etwas anders. Er meint, der Mischkan sei nie als etwas rein Spirituelles gedacht, sondern sollte als etwas Physisches gebaut werden, um die Erinnerung an die spirituelle Verbindung mit dem Ewigen zu bewahren, die wir beim Empfang der Tora am Berg Sinai erreicht haben.

Um dies zu verstehen, bringt uns Rabbiner King ein Beispiel von jemandem, der die Freiheitsstatue in New York besuchte und eine Miniaturstatue in einem Souvenirladen gekauft hat, um sich an die Erfahrung zu erinnern, die er dort gemacht hat.

So kann er sich immer, wenn er sich die kleine Freiheitsstatue anschaut, das großartige Gefühl der Freude und Begeisterung vergegenwärtigen, das er beim Anblick der echten Freiheitsstatue hatte. Auch wenn diese Miniaturstatue nur wenige Dollar gekostet hat, ist ihr tatsächlicher Wert viel größer, denn sie verkörpert all die Gefühle, die der Mann damals in New York hatte, und stellt dadurch für ihn eine ewige Verbindung zu diesem Ort her.

ERFAHRUNG Ebenso wurde der Mischkan für uns errichtet. Wir sollen dadurch unsere Sinai-Erfahrung erneut erleben und unsere Verbindung mit dem Ewigen dauerhaft fortsetzen und weiterentwickeln. Jedes Mal, wenn jemand das Beit Hamikdasch, den Tempel, betrat, sollte er sich an die einzigartige und einmalige Erfahrung am Berg Sinai erinnern, als G’tt direkt zum jüdischen Volk sprach und Seine Gebote verkündet hatte. In jenem Moment hatte sich das jüdische Volk G’tt am Nächsten gefühlt und die größten Wunder erlebt. Durch diese Erinnerung fühlte sich der Mensch dem Allmächtigen näher und verbundener.

Diese Botschaft ist besonders wichtig in unserer aktuellen Zeit. Denn wegen der Pandemie fallen G’ttesdienste aus, und die Kontinuität ist unterbrochen. Einige von uns sind dadurch etwas träge und faul geworden und haben es sich abgewöhnt, die Synagoge zu besuchen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass die Institution einer Synagoge, als Mikdasch me’at (kleines Heiligtum) ins Leben gerufen wurde. Jede Synagoge ist so konstruiert, dass sie bestimmte Bauelemente besitzt, die uns an den Tempel erinnern. Sie soll unsere Verbindung mit dem großen Heiligtum, dem Beit Hamikdasch, dem Tempel, aufrechterhalten.

Es geht darum, ständig unsere Erfahrungen am Berg Sinai in Erinnerung zu rufen und unsere Verbindung zum Ewigen aufrechtzuerhalten und zu stärken. Aus diesem Grund ist der Besuch der Synagoge essenziell und nimmt einen enorm wichtigen Teil im Leben eines jeden einzelnen Juden ein − ganz abgesehen davon, dass ein Gebet in einem Minjan ungeheure Kraft besitzt.

Gerade in dieser Zeit braucht die Welt unsere Gebete – die eines jeden Einzelnen von uns! Und obwohl wir uns manchmal bei dem Gedanken ertappen: «Was kann mein einzelnes Gebet schon ausrichten?», dürfen wir niemals vergessen, dass es zwar nicht an uns liegt, die Arbeit zu vollenden, doch sind wir nicht von ihr befreit.
Mögen wir alle diese schwierige Zeit gut überstehen und schon bald die wahre Pracht und Herrlichkeit des wiedererbauten Heiligtums, des Tempels, bestaunen und genießen!

Aus: Allgemeine Jüdische Wochenzeitung -03-20-2022