Aug ‍‍2017 - תשעז / תשעח

Paraschat WaEtchanan 5777

Paraschat Wa’etchanan
Schabbat Nachamu
4./5. August 2017
13. Aw 5777

Daf Va’eschanan 5777

Dewarim 3:23 – 7:11
Haftara: Jeschajahu 40:1 –26

Die Parascha in Kürze

• Mosche fleht G-tt an, ihn nach Eretz Jisrael mitgehen zu lassen
• Mosche legt die drei Zufluchtsstädte jenseits des Jordan fest
• Wiederholung der Zehn Gebote
• Der erste Abschnitt des Schema Jisrael

Konzept der Woche
אָז יַבְדִּיל מֹשֶׁה שָׁלֹשׁ עָרִים בְּעֵבֶר הַיַּרְדֵּן מִזְרְחָה שָׁמֶשׁ:

„Damals schied Mosche drei Städte jenseits des Jordans aus, gegen Sonnenaufgang.“ (4:41)
Wenn man in diesem Vers das Verb יַבְדִּיל genau betrachtet, erkennt man die Futurform, die bedeutet „er wird abscheiden“, aber in der Übersetzung wird die Vergangenheit gewählt. Wann hat also Mosche die drei Städte östlich des Jordans abgeschieden? War es zu diesem Zeitpunkt, also zu seinen Lebzeiten, oder geschah es erst später, nämlich nach dem Einzug in Eretz Jisrael? Raschi erklärt diese Schwierigkeit, indem er ausführt, dass Mosche nun die drei Städte abgeschieden hat, aber sie nicht offiziell als עָרֵי מִקְלָט – Zufluchtsstädte – erklärt wurden, bis Eretz Jisrael erobert worden war. Das Wortאָז – damals – weist auf die Absonderung der Städte zu Mosches Zeiten hin, während das Futur in יַבְדִּיל auf die Funktionsfähigkeit als Zufluchtsstädte in der Zukunft hinweist.
Man könnte die Frage erheben, warum Mosche sich überhaupt mit dieser Angelegenheit befasst hat, wenn er doch genau wusste, dass er das Projekt der Zufluchtsstädte nicht zu Ende führen würde. Die עָרֵי מִקְלָט konnten nur ihre Schutzfunktion für Totschläger (jemand, der unabsichtlich einen Menschen getötet hat) erfüllen, wenn alle sechs Städte – drei östlich des Jordans und drei westlich des Jordans – designiert waren. Nachdem aber Mosche genau wusste, dass Haschem es ihm nicht gestattet hatte, Eretz Jisrael zu betreten und er somit auch die Absonderung der עָרֵי מִקְלָט nicht zu Ende bringen konnte, fragt es sich, warum er diese Aufgabe dennoch begonnen hat.
Unsere Weisen sagen uns: אַל תְּרַחֵק עַצְמְךָ מִמִּדָּה שֶׁאֵין לָהּ קִצְבָה וּמִמִלָאכָה שֶׁאֵין לָהּ גְמִירָא – halte dich nicht fern von einer Aufgabe, die keine Grenze hat, oder von einer Arbeit, die kein Ende hat. Der Chofetz Chaim (Rav Jisrael Meir Kogan, 1839-1933) erklärt, dass es die Vorgehensweise des יֵצֶר הָרָע – bösen Triebs – ist, uns immer wieder davon überzeugen zu wollen, dass es unmöglich ist, alle Mitzwot korrekt einzuhalten. Warum soll man dann überhaupt anfangen, Mitzwot zu halten, fragt der Jetzer Hara in uns. Die Gesetze der Halacha sind so komplex und detailliert, argumentiert der Jetzer Hara, dass man sie gar nicht alle lernen, geschweige denn, sich merken und halten kann! Tatsächlich lassen sich einige Menschen auf diese Argumentation ein und werfen die Flinte ins Korn, bevor sie ernsthaft angefangen haben, ihr Leben nach den Gesetzen der Tora zu führen.
Mosche zeigt uns allerdings genau den gegenteiligen Ansatz. Raschi erklärt, basierend auf der Gemara im Traktat Makkot 10a, dass sich Mosche sagt: מִצְוָה שֶׁאֶפְשָׁר לְקַיְּמָהּ אֲקַיְּמֶנָּה – eine Mitzwa, die ich tun kann, werde ich unverzüglich tun.
Der Chofetz Chaim führt aus, dass es sehr wertvoll ist, eine Mitzwa zu beginnen, auch wenn man weiß, dass man sie nicht zu Ende bringen kann, und demonstriert dies mit einer Parabel: man stelle sich vor, am Strand spazieren zu gehen. Die Flut wirft einem plötzlich wertvolle Steine und Perlen vor die Füße. Überall glitzert und funkelt es. Was soll man tun? Wird man sich sagen, dass es sowieso unmöglich ist, alle Edelsteine und Perlen aufzusammeln und man daher gar nicht erst anfangen soll? Natürlich nicht! Jeder einzige Stein und jede einzige Perle hat ihren eigenen Wert und es lohnt sich, sie eine nach der anderen aufzusammeln.
Eine Mitzwa hat einen viel höheren Wert als jeder Edelstein und wir sollten versuchen, so viele Mitzwot wie möglich auf unserem Konto zu deponieren. Jede Gelegenheit wahrzunehmen, eine Mitzwa zu tun, unabhängig von widrigen Umständen, wird uns wirklichen Reichtum bringen.

Frage der Woche: Welchen weiteren Grund gab es, die drei Zufluchtsstädte abzuscheiden, bevor sie in Funktion treten konnten? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.

Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Warum musste Am Jisrael bis zu dem Zeitpunkt in Vers 2:3 warten, um nach Norden zu ziehen? Rav Elijahu Misrachi (1435-1526) erklärt, dass das jüdische Volk zuvor nicht nach Norden ziehen konnte, weil das Königreich Edom es nicht durchziehen ließ.
Biographie der Woche

Rav Jakow Culi

Jahrzeit 19. Aw

Rav Jakow Culi entstammte einer sephardischen Familie, die sich nach der Vertreibung aus Spanien auf Kreta angesiedelt und es dort zu Ansehen und Reichtum gebracht hatte. Sein Vater war nach dem Sieg der Türken über das über Kreta herrschende Venedig nach Eretz Jisrael geflohen und heiratete dort die Tochter des berühmten Rabbiners Mosche ibn Chabib (1654-1696). Jakow Culi wurde 1689 in Jerusalem geboren und seine sich sehr früh zeigende Begabung wurde von seinem Großvater gefördert. Nach dessen Tod zog seine Familie nach Tzefat, wo Jakow Culi zu einem großen Toragelehrten wurde und sich entschied, die Werke seines Großvaters zu veröffentlichen. Dies war in Israel nicht möglich und er ging 1714 nach Konstantinopel, wo er Geldgeber fand, so dass es 1719 zur Drucklegung kam.
Er wurde ein Schüler von Rabbiner Jehuda Rosanes (1657-1727), des Führers der sephardischen Juden, der ihn in seinen Bet Din berief, und veröffentlichte nach dessen Tod auch die Werke seines Lehrers. Rabbiner Culi erkannte die dringende Notwendigkeit, das einfache Volk in Konstantinopel spirituell wiederaufzurichten.
Nach dem Desaster der Schabbatai Zwi-Affäre war es zu einem geistigen Niedergang in Konstantinopel gekommen. Es gab zwar hervorragende Toragelehrte und Jeschiwot, aber die Mehrheit der Juden hatte nur geringe Kenntnisse des Judentums. Da die Sprache der sephardischen Juden zu jener Zeit Ladino war – ein mit Hebräisch versetztes altes Spanisch – schrieb er einen ausführlichen Tora-Kommentar auf Ladino, den er unter dem Namen Me‘am Lo’ez 1730 zu veröffentlichen begann. Leider konnte Rabbiner Culi selbst nur den Kommentar zu Bereschit und den Großteil von Schmot verfassen, aber seine Notizen waren so umfangreich, dass daraus der restliche Kommentar verfasst werden konnte. Rabbiner Culi starb 1732 in Konstantinopel.
Meam Lo’ez wurde sofort mit Begeisterung von der jüdischen Leserschaft angenommen und gehörte für sephardische Juden zum Standardwerk des Torakommentars. Erst durch die Übersetzung ins Hebräische in den 1960er Jahren wurde die aschkenasische Welt auf dieses Werk aufmerksam.
Impressum: Herausgegeben von HMS © 2017