Mrz ‍‍2020 - תשף / תשפא

In Krisenzeiten bewährt

Was heutige Führungskräfte von Mosche lernen können

Eine gute Führungspersönlichkeit folgt dem Mantra: »Give credit, take blame!« – »Erkenne das Gute an, das andere tun; doch Schuld nimm auf dich!« Genau damit haben kürzlich einige Geschäftsführer in verschiedenen Wirtschaftsmagazinen erklärt, warum sie erfolgreich sind.
Im letzten Vers der Beschreibung vom Bau des Mischkans, des Stiftszeltes in der Wüste, und seiner Ausrüstung heißt es: »Und er richtete den Hof auf, rings um die Wohnung und den Altar, und brachte den Vorhang des Tores zum Hof an; so vollendete Mosche das Werk« (2. Buch Mose 40,33).
Der Midrasch Lekach Tow kommentiert, dass Mosche für den »letzten Hammerschlag« so viel Anerkennung erhielt, als hätte er die ganze Arbeit allein verrichtet. Der Midrasch HaGadol kommentiert, es werde damit folgendes Prinzip angewendet: »Derjenige, der die Mizwa beginnt, ist aufgefordert, sie auch zu beenden.«
Der Wilnaer Rabbiner Schlomo HaKohen (1828–1905) wirft dazu eine Reihe von Fragen auf: Gilt es nur für die Beendigung einer persönlichen Mizwa, wobei zu befürchten ist, dass eine Mizwa, die man hinauszögert, niemals ausgeführt wird? Oder gilt es sogar für eine gemeinschaftliche Mizwa? Ist es im Falle einer gemeinschaftlichen Mizwa wichtiger, dass derjenige, der sie beginnt, sie auch zu En¬de bringt? Oder ist es wichtiger, es – nach dem Prinzip »Die Ehre der Könige liegt in der Vielzahl der Menschen« – anderen Menschen zu ermöglichen, sich daran zu beteiligen?
Rabbi Schlomo HaKohen geht von Letzterem aus, auch wenn manche anderer Meinung sind. Es scheint, dass im Falle des Mischkans beide Aspekte erfüllt wurden: Mosche gab anderen die Möglichkeit zur Teilnahme, aber er beendete die Arbeit persönlich.
Tat Mosche dies nur, damit sein Name gerühmt werden würde? Die Tora sagt, er sei die bescheidenste Person gewesen: »Der Mann Mosche aber war sehr demütig, mehr als irgendein Mensch auf dem Erdboden« (4. Buch Mose 12,3). Warum also sollte er seinen Namen mit dem Bau des Mischkans in Verbindung bringen wollen?
Rabbi Aharon Leib Shteinman (1914–2017) zitiert in seinem Kommentar Ajelet Haschachar die mittelalterlichen aschkenasischen Rabbiner, die Baale Tossafot: »Weil er (Mosche) es eingerichtet, jedes Detail organisiert und schließlich dem Werk den letzten Schliff gegeben hat, wird es bei seinem Namen genannt; denn wenn jemand etwas vollendet, wird es bei seinem Namen genannt.«
Rabbi Shteinman erklärt, dass Mosche am Ende nichts Konkretes getan hat. Er versuchte nicht, derjenige zu sein, der dem Ganzen den letzten Schliff gibt. Es geschah einfach von selbst. Dies lehrt uns, dass Mosche wahre Führungsquali¬täten besaß. Er hat die Menschen nicht nur angewiesen, die Arbeit zu verrichten, sondern er hat auch seinen Anteil an der eigentlichen Arbeit übernommen. Er war kein Chef, sondern ein Anführer.
Andere wichtige Gelegenheiten, in denen sich zeigt, wer ein wahrer Anführer ist, sind Krisenzeiten. Das jüdische Volk erlebte mit der Episode vom Goldenen Kalb eine der größten Krisen seiner Geschichte. Es war ein Moment, in dem die gesamte Zukunft des Volkes auf dem Spiel stand. Mosche war der Anführer der Israeliten, aber er war nicht an dieser Sünde beteiligt.
Als er 40 Tage nach der größten Offenbarung der Menschheit vom Berg Sinai zurückkehrte, sah er das Volk beim Götzendienst. G’tt bot ihm an, es zu vernichten und nur seine Linie weiterleben zu lassen, da er an dieser Todsünde nicht beteiligt gewesen war. So würde nur sein Name als Gründer der Nation der Tora in Erinnerung bleiben.
Doch Mosche wählte nicht diesen einfachen Weg. Er war bereit, die Verantwortung zu übernehmen und sogar seinen Namen aus der Tora tilgen zu lassen, nur um seine Solidarität mit dem jüdischen Volk zu zeigen, das, obwohl es gesündigt hatte, weiterexistieren sollte.
Auch der Kommentar von Rabbi Aharon Lichtenstein (1933–2015) unterstreicht diesen Gedanken. Er fragt, warum alle Einzelheiten des Mischkans, die wir im Wochenabschnitt Teruma gelesen haben, in den Wochenabschnitten Wajakhel und Pekude wiederholt werden.
Rabbi Lichtenstein erzählt folgendes Gleichnis: Ein junges Paar verlobt sich und bestellt verschiedene Einrichtungs¬gegenstände, Geräte und Utensilien, das es sich für sein Traumhaus wünscht. Dann heiraten die beiden, und in den Flitterwochen wird die Frau untreu.
Ein Freund kommt und hilft ihnen, ihre Probleme zu lösen. Sie kommen nach Hause zurück, und es ist sehr unangenehm, all die gekauften neuen Gegenstände zu sehen. Sie wurden bestellt, als alles noch perfekt zu sein schien und die beiden glücklich miteinander waren, aber jetzt scheint alles anders zu sein. Können die Dinge jemals wieder so sein wie früher?
Teschuwa Die Tora erzählt uns dies nach der Sünde vom Goldenen Kalb, um uns zu lehren: Wenn es einen großen Rückschlag gab, kann Teschuwa, Buße, helfen, die Situation wieder in Ordnung zu bringen. Nachdem ihnen vergeben wird, können sie zu all den Angelegenheiten zurückkehren, mit denen sie vor der Sünde beschäftigt waren.
Ohne Mosches Führung wäre dies jedoch nicht möglich gewesen. Während der Sünde des Goldenen Kalbs war er bereit, seine Größe aufzugeben. Und auch jetzt, da der Mischkan fertiggestellt ist, sucht er nicht nach Ruhm. Trotzdem gilt, was unsere Weisen sagen: »Jeder, der vor der Ehre wegläuft, wird von ihr verfolgt.«
CEOs und andere Führungskräfte sind Vorstandsmitgliedern sowie Aktionären Re¬chenschaft schuldig und müssen ihnen Bericht erstatten. Sie werden sich nicht langfristig in ihren Jobs halten, wenn sie keine Fortschritte nachweisen können. Das steht jedoch nicht im Widerspruch zu dem Mantra »Give credit, take blame!«.
Eine gute Führungspersönlichkeit beansprucht die Lorbeeren nicht für sich – sondern die Außenwelt soll den Erfolg sehen können und verstehen, dass ihm große Führungsstärke zugrunde liegt.