Sep ‍‍2012 - תשעב / תשעג

Jom Kippur

Einführung

Die Zehn Bußtage erreichen am Jom Kippur ihren Höhepunkt. Der Versöhnungstag wird am 10. Tischri begangen, er ist der heiligste Tag des jüdischen Kalenders. Man bezieht sich auf ihn auch als „Schabbat Schabbaton“ oder Schabbatfeier“.

Ursprung

Und es sei euch zur ewigen Satzung: im siebenten Monat, am zehnten des Monats sollt ihr euch kasteien und keinerlei Werk verrichten, der Eingeborene und der Fremde, der unter euch weile. Denn an diesem Tag wird er euch sühnen, daß ihr rein werdet; von allen euern Sünden sollt ihr rein werden vor dem Ewigen. Eine Schabbatfeier sei er euch und ihr sollt euch kasteien, eine ewige Satzung.
Lev. 16, 29-31

„Ihr sollt euch kasteien“ bezieht sich auf das Fasten am Jom Kippur.

Beobachtung

Der Vorabend des Jom Kippur wird als eine Art halber Feiertag betrachtet, eine Mischung aus Freude und Feierlichkeit.

Der Tag ist durch großzügiges Geben gekennzeichnet. Geld der Kaparot-Zeremonie – eine Erinnerung an die Opfer im Tempel – wird für wohltätige Zwecke gespendet. Die Teilnehmer des Nachmittagsgottesdienstes haben sich schon in ihre Tallitot gehüllt.

Jetzt ist es höchste Zeit, von denen, die wir absichtlich oder unabsichtlich beleidigt haben, Vergebung zu erbitten.

Das letzte Mahl vor dem Fasten ist festlich. Am Ende segnen die Eltern ihre Kinder.

Für die Verstorbenen wird eine Gedenkkerze entzündet.

In der Synagoge tragen die Männer den Kittel, ein langes weißes Gewand, zusammen mit dem Tallit symbolisiert es Reinheit. Auch Frauen tragen weisse Gewänder.

Die Gottesdienste

Kol Nidre

Kol Nidre („Alle Gelübde“) wird am Beginn des Abendgottesdienstes dreimal hintereinander gesungen. Es ist eine formale Lösung aller unerfüllten Gelübde – vor allem von jenen, die in großer emotioneller Anspannung getan wurden. Diese Absolution bezieht sich nur auf solche Gelübde und Versprechen, die jemand freiwillig auf sich genommen hat und die seine Beziehung zum eigenen Gewissen und zu Gott betreffen. Weder ein Gelübde noch ein Versprechen, daß einer anderen Person, einer Gemeinde oder einem Gericht gegenüber geleistet wurde, sind inkludiert.

Bußgebete

Bitten um Verzeihung der Sünden machen einen Großteil der Liturgie des Jom Kippur aus.

Im „Widui“, dem Sündenbekenntnis, werden Sünden, die ein Einzelner begangen haben könnte, aufgezählt. Dieses Gebet wird gemeinsam für ganz Israel gesprochen.

Jiskor

Im Morgengottesdienst wird an die verstorbenen Verwandten erinnert.

Neilah

Das Neilah-Gebet schliesst den Gottesdienst zu Jom Kippur ab. Es wird mit großer Feierlichkeit und Macht gesprochen. Der Toraschrein bleibt während dieses Gottesdienstes offen, und der Tag wird mit einem letzten, langen Schofarton beendet.

Jom Kippur – Vergebung für die Sünden

Der Jom Kippur wird am 10. Tag des Monats Tischri begangen, wenn das Schicksal jedes einzelnen Menschen für das kommende Jahr im „Buch des Lebens besiegelt“ wird.

Nur Sünden zwischen Mensch und Gott können am Jom Kippur vergeben werden, und am Ende des Tages kann der Betende in der Synagoge nur hoffen, daß er mit der Richtigstellung seiner Fehler zurande kam und daß seine Gebete Gott erreicht haben.

Denn an diesem Tag wird er euch sühnen, daß ihr rein werdet; von allen euern Sünden sollt ihr rein werden vor dem Ewigen.

So wurde der Versöhnungstag eingesetzt, der einzige jüdische Feiertag neben Rosh HaShana ohne historischen oder landwirtschaftlichen Hintergrund. Alle anderen Feiertage haben eine nationale Bedeutung, die sogar nichtreligiöse Juden anspricht. Der Jom Kippur dagegen handelt exklusiv von der Beziehung des Menschen mit Gott und mit seinen Mitmenschen und bringt viele Bitten vor den Ewigen. In den Tagen, die dem Jom Kippur vorausgehen, ist man aufgefordert, um Verzeihung zu bitten und jene, gegen die man während des Jahres falsch gehandelt hat, zu versöhnen.

Was ist Sünde?

Im Hebräischen gibt es etwa zwanzig verschiedene Wörter, die „Sünde“ bedeuten, jedes hat ein eigenes Konzept und besitzt nur begrenzte Anwendbarkeit. Der allgemeine rabbinische Terminus für Sünde ist „awerah“, abgeleitet von der Wurzel „awar“ – „vorbeigehen“, was als Verlust der göttlichen Gunst interpretiert wird.

Juden glauben, daß Sünde durch den bösen Trieb („Jetzer HaRa“) verursacht wird, eine Kraft, die uns dazu treibt, den Instinkten ohne Rücksicht auf die Konsequenzen nachzugeben.

Gott sagte (Kid. 30b):

Meine Kinder? Ich schuf den bösen Trieb, aber isch schuf die Tora als sein Gegengift: Wenn ihr Tora lernt, werdet ihr euch nicht in seine Hand begeben.

Rabbi Ischmael lehrte (Kid. 30b):

Mein Sohn, wenn dich dieser widerwärtige Lump (der böse Trieb) angreift, führe ihn ins Lehrhaus. Wenn er aus Stein ist, wird er sich auflösen und wenn er aus Eisen ist, wird er in seine Bestandteile zerfallen.

Wahlfreiheit

ist eine der Grundlagen des Judentums. Bereits in der ersten Geschichte in der Bibel bekommen Adam und Eva die Wahlmöglichkeit, Gottes Gebot anzunehmen oder abzulehnen.

Der große mittelalterliche Gelehrte Maimonides schrieb (Jad, Teschuwa 5):

Jeder Mensch hat die Möglichkeit, ein Gerechter zu werden wie Moses, unser Lehrer, oder böse wie Jeroboam, gescheit oder dumm, freundlich oder grausam, geizig oder großzügig …“

Dies widerspricht einem volkstümlichen jiddischen Sprichwort, das alles im Leben als „beschert“ oder vorbestimmt betrachtet.

Das Judentum lehrt uns, daß wir fähig sind, unser Leben zu leiten, den Pfad der Rechtschaffenheit zu wählen oder sein Gegenteil, die Sünde.

Fasten und Beten

Zu den Hohen Feiertagen sprechen wir ein Gebet, das scheinbar dem widerspricht:

Zu Rosh HaShana wird unser Schicksal eingeschrieben und am Jom Kippur wird es besiegelt … wer wird leben und wer wird sterben, wer wird das volle Maß seiner Tage leben und wer wird sterben vor der Zeit …

Einige Rabbinen sagen, dies sei eher eine Meditiation als ein Gebet, um uns diese am meisten inspirierende Ermahnung des Jom Kippur verstehen zu helfen:

Aber Buße, Gebet und Wohltätigkeit wenden das strenge Urteil ab!

Mögen unsere Taten auch Strafe verdienen, wir können immer den Weg der Reue wählen – bis zu unserer letzten Minute auf der Erde!

In Israel

In Israel hat der Jom Kippur eine zusätzliche spirituelle Dimension. Vor allem in Jerusalem sieht man keine Autos auf der Straße. Auch der nicht religiöse Israeli respektiert die Heiligkeit dieses Tages.

Wenn sich die Nacht auf diese lange Fasten- und Gebetsperiode herabsenkt, füllen sich die Synagogen. Viele gehen zur Westmauer. Der letzte Schofarton zerreisst die Dunkelheit und die jüdische Seele. Wir erinnern uns an die Worte Jesajas an die Exilierten (Jesaja 27,13):

An jenem Tage wird man in die große Posaune stoßen, dann werden kommen, die im Land Assur sich verloren und die nach Ägypten versprengt sind, ud sie werden den Ewigen anbeten auf dem heiligen Berg in Jerusalem.