Feb ‍‍2023 - תשפג / תשפד

Das Geschenk des Gebens

Es war das erste israelitische Gotteshaus, die erste Wohnstätte, die Juden für Gott errichteten. Aber die Idee selbst ist paradox, ja widersprüchlich. Wie kann man ein Haus für Gott bauen? Ist Er doch größer als alles, was wir uns vorzustellen können, geschweige denn in der Lage sind zu bauen.

König Salomon brachte dies zum Ausdruck, als er ein anderes Gotteshaus einweihte, den Ersten Tempel: „Aber wird Gott wirklich auf der Erde wohnen? Die Himmel, ja selbst der höchste Himmel, vermögen Dich nicht zu fassen. Wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe!“ (I Könige 8:27). Und Jesaja sagte in Gottes Namen: „Der Himmel ist Mein Thron und die Erde Mein Schemel. Was für ein Haus könnt ihr Mir bauen? Wo wird Meine Ruhestätte sein?“ (Jes. 66:1).

Es scheint nicht nur unmöglich zu sein, Gott ein Zuhause zu bauen, es sollte auch nicht nötig sein. Der allgegenwärtige Gott ist überall erreichbar, in der tiefsten Grube ebenso wie auf dem höchsten Berg, in einem städtischen Slum ebenso wie in einem mit Marmor und Gold ausgekleideten Palast.

Die Antwort, und sie ist von elementarer Bedeutung, ist, dass Gott nicht in Gebäuden wohnt. Er lebt in Menschen, die bauen. Er wohnt nicht in steinernen Strukturen, sondern im menschlichen Herzen. Die jüdischen Weisen und Mystiker wiesen darauf hin, dass Gott in unserer Parascha sagt: „Sie sollen Mir ein Heiligtum bauen, damit Ich in ihnen wohne“ (Exod. 25:8), nicht, „damit ich darin wohne“.

Warum überhaupt befahl dann Gott dem Volk, ein Heiligtum zu errichten? Die von den meisten Kommentatoren gegebene Antwort, die auch von der Tora selbst angedeutet wird, lautet, dass Gott das Gebot eigens nach der Sünde des Goldenen Kalbes gab.

Das Volk schuf das Goldene Kalb, als Moses vierzig Tage lang auf dem Berg verweilte, um die Tora zu empfangen. Solange Moses in ihrer Mitte war, wusste das Volk, dass er mit Gott kommunizierte und Gott mit ihm, und so war Gott erreichbar, ihnen nahe. Doch als Moses fast sechs Wochen lang abwesend war, gerieten sie in Panik. Wer sonst konnte die Kluft zwischen dem Volk und Gott überbrücken? Wie sollten sie Gottes Anweisungen hören? Durch welchen Vermittler konnten sie mit der göttlichen Gegenwart in Verbindung treten?

Aus diesem Grund sprach Gott zu Moses: „Sie sollen Mir ein Heiligtum bauen, damit Ich unter ihnen wohne.“ Das ausschlaggebende Wort ist hier das Verb schchn, „wohnen“. Nie zuvor war es im Zusammenhang mit Gott verwendet worden. Letztlich wurde es zu einem Schlüsselwort des Judentums selbst. Von ihm leitete sich das Wort Mischkan ab, das Heiligtum bedeutet, und Schechina, die göttliche Gegenwart.

Der Gedanke der Nähe steht für die Bedeutung dieses Begriffs im Mittelpunkt. Schachen bedeutet im Hebräischen „Nachbar“, die Person nebenan. Was die Israeliten brauchten – und was Gott ihnen gab -, war ein Weg, sich Gott so nahe zu fühlen wie dem Nachbarn von nebenan.

Das war es, was die Stammesväter und Stammesmütter empfanden. Gott sprach zu Abraham, Isaak und Jakob, zu Sara, Rebekka, Rachel und Lea wie ein inniger Freund. Er sagte zu Abraham und Sara, dass sie ein Kind bekommen würden. Er erklärte Rebekka, warum sie in der Schwangerschaft so starke Schmerzen erlitt. Jakob erschien er in entscheidenden Momenten seines Lebens und sagte ihm, er solle sich nicht fürchten.

Doch die Israeliten hatten bis jetzt anderes erlebt. Sie hatten gesehen, wie Gott Plagen über die Ägypter brachte. Sie hatten erlebt, wie Er das Meer teilte. Sie hatten erfahren, wie Er ihnen Manna vom Himmel und Wasser aus dem Felsen sandte. Sie hatten Seine befehlende Stimme auf dem Berg Sinai vernommen und fanden sie fast nicht zu ertragen. Sie sagten zu Moses: „Sprich du zu uns, und wir werden dir zuhören. Aber lass nicht Gott zu uns sprechen, sonst werden wir sterben.“ Gott war ihnen als eine überwältigende Präsenz erschienen, als eine unwiderstehliche Kraft, als ein Licht, so strahlend hell, dass man erblindet, wenn man es sieht, als eine Stimme, so stark, dass man taub wird.

Um also allen Mitgliedern eines großen Volkes zugänglich zu sein, nicht nur den Pionieren des Glaubens – den Urvätern und Urmüttern, sah Gott selbst sich gleichsam vor einer Herausforderung. Er musste das tun, was die jüdischen Mystiker Zimzum nannten, sich „zurücknehmen“, Sein Licht verschleiern, Seine Stimme dämpfen, Seine Herrlichkeit hinter einer dichten Wolke verbergen und dem Unendlichen ermöglichen, die Dimensionen des Endlichen anzunehmen.

Aber das war, wenn man so will, der leichte Teil. Der schwierige Teil hatte nichts mit Gott zu tun, dafür alles mit uns. Wie gelingt es uns, die Gegenwart Gottes wahrzunehmen? Am Fuße des Mount Everest oder beim Anblick des Grand Canyon scheint dies nicht so schwierig zu sein. Man muss nicht besonders oder überhaupt religiös sein, um in der Gegenwart des Erhabenen Ehrfurcht zu empfinden. Der Psychologe Abraham Maslow, dem wir in unseren Betrachtungen zu Paraschat Wa’era begegnet sind, sprach von „Gipfelerlebnissen“ und sah in ihnen das Wesen der spirituellen Begegnung.

Aber wie spürt man die Gegenwart Gottes mitten im Alltag? Nicht auf dem Gipfel des Berges Sinai, sondern auf der sich am Fuße des Berges erstreckenden Ebene? Nicht, wenn Er wie bei der großen Offenbarung von Blitz und Donner umgeben ist, sondern heute, an einem ganz gewöhnlichen Tag?

Das ist das lebensverändernde Geheimnis des Wortes Teruma. Es bedeutet „ein Beitrag“. Gott sagte zu Moses: „Sag den Israeliten, sie sollen für Mich einen Beitrag erheben. Du sollst den Beitrag für Mich von allen entgegennehmen, deren Herz sie zum Geben bewegt“ (Exod. 25:2).

Die beste Weise, Gott zu begegnen, ist zu geben. Der Akt des Gebens selbst entspringt oder führt zu dem Verständnis, dass das, was wir geben, Teil dessen ist, was uns gegeben wurde. Es ist eine Form des Dankes, ein Akt der Dankbarkeit. Das ist der Unterschied zwischen der Gegenwart und der Abwesenheit Gottes im menschlichen Bewusstsein.

Ist Gott anwesend, so bedeutet das, dass alles, was wir haben, Ihm gehört. Er hat das Universum erschaffen. Er hat uns geformt, uns das Leben geschenkt. Er hauchte uns die Luft ein, die wir atmen. Überall sind wir von der Majestät, der Fülle von Gottes Großzügigkeit umgeben: vom Licht der Sonne, vom Gold der Steine, vom Grün der Blätter, vom Gesang der Vögel. Das spüren wir, wenn wir die großen Schöpfungspsalmen lesen, die wir jeden Tag im Morgengottesdienst sagen. Die Welt ist die Kunstgalerie Gottes, und seine Meisterwerke sind überall.

Wenn das Leben ein Geschenk ist, erkennt man dies an, indem man etwas zurückgibt.

Wenn aber das Leben keine Gabe ist, weil es keinen Geber gibt, wenn das Universum nur durch eine zufällige Fluktuation im Quantenfeld entstanden ist, wenn es nichts im Universum gibt, das weiß, dass wir existieren, wenn der menschliche Körper nichts weiter ist als eine Aneinanderreihung von Buchstaben im genetischen Code und der menschliche Geist nichts anderes als elektrische Impulse im Gehirn, wenn unsere moralischen Überzeugungen lediglich der Selbsterhaltung dienen und unsere spirituellen Bestrebungen bloße Hirngespinste sind, dann ist es schwierig, Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens zu empfinden. Es gibt keine Gabe, wenn es keinen Geber gibt. Lediglich eine Kette bedeutungsloser Zufälle, und es ist schwer, für einen Zufall Dankbarkeit zu empfinden.

Die Tora sagt uns daher etwas Einfaches und Praktisches: Gib, und du wirst das Leben als ein Geschenk betrachten. Du musst nicht die Existenz Gottes nachweisen können. Sei nur dankbar, dass es dich gibt – der Rest wird sich daraus ergeben.

So war Gott den Israeliten durch den Bau des Mischkan nahe gekommen. Es lag nicht an der Qualität des Holzes, der Metalle und der Vorhänge. Es war nicht das Glitzern der Juwelen auf dem Brustpanzer des Hohepriesters. Nicht die Schönheit der Architektur oder der Geruch der Opfer. Es war die Tatsache, dass er aus den Gaben eines jeden erbaut wurde, „dessen Herz ihn zum Geben bewegte“. Wo Menschen freiwillig füreinander und für heilige Zwecke geben, dort ruht die göttliche Gegenwart.

Daher auch das besondere Wort, das unserer Parascha ihren Namen gibt: Teruma. Ich habe es mit „ein Beitrag“ übersetzt, aber es hat eigentlich eine ganz andere Bedeutung, für die es keine einfache englische Entsprechung gibt. Es bedeutet „etwas, das man erhebt“, indem man es einer heiligen Sache widmet. Man hebt es hoch, und dann erhebt es einen selbst. Die beste Art und Weise, die spirituellen Höhen zu erklimmen, besteht einfach darin, in Dankbarkeit zu geben – dafür, dass einem gegeben worden ist.

Gott wohnt nicht in einem Haus aus Stein. Er wohnt in den Herzen derer, die geben.

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