Jan ‍‍2024 - תשפד / תשפה

Wer ist Am Jisraeel? Nicht damals, aber heute ein Problem

Das Volk wurde beim Auszug aus Ägypten gegründet. Wer Jude wurde, war damals klar, aber wer Jude ist, ist in Israel immer noch ein heißes Eisen.

Seit Jahren schwelt die Debatte in der israelischen Politik, die manchmal einfach als „mi Yehudi?“ oder „Wer ist Jude?“ bezeichnet wird. Der Ursprung dieser Debatte liegt, wie sogar die säkularen und ausländischen Medien beschreiben, in einer Spaltung zwischen verschiedenen Jüdischen Strömungen.

mi Yehudi?

Über Jahrhunderte war die Orthodoxie die einzige organisierte Form des Judentums. Abspaltungen wie der Karaitismus (auch: Karaismus), die Sadduzäer und die Anhänger des Bo‘ethus waren nie von langer Dauer und verschwanden oder gingen in ihrer Umgebung auf. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Reformbewegung grösser, vor allem in Deutschland. Sie basierte auf den Erkenntnissen einer Reihe aufgeklärter jüdischer Philosophen wie Moses Mendelsohn. Zu Beginn war es vor allem ein Unterschied in der Philosophie, der die Reformbewegung von der orthodoxen Hauptströmung unterschied. Später wurde festgestellt, dass auch die praktischen Gesetze überarbeitet werden müssen. Der G’ttesdienst in der Synagoge wurde radikal verändert, und eine Reihe von symbolischen Gesetzen wurde abgeschafft (der Reformator Samuel Holdheim war ebenfalls nahe daran, den Schabbat als Ruhetag auf den Sonntag zu verlegen. Dieser Vorschlag fand jedoch keine Mehrheit).

Religiöse Scheidungen und Proselyten

Das erste Problem, das sich stellte, waren die Gittin (religiöse Scheidungen) und Giurim (formelle Übertritte zum Judentum).  Für eine religiöse Scheidung gibt es viele strenge Bedingungen. Da die Reformbewegung einige dieser Bedingungen nicht einhielt, waren viele Scheidungen ungültig. Infolgedessen war die zweite Ehe der Frau ungültig, was zu Mamzerim („Bastarden“) führte, die keine anderen Juden heiraten durften.

Es gibt auch klare Anforderungen für den Übertritt zum Judentum; wenn diese nicht eingehalten werden, ist die Person nicht-jüdisch, auch nicht ihre Nachkommen. Die neuen Auffassungen des 19. Jahrhunderts führten also zu vielen Meinungsverschiedenheiten und Spaltungen.

               Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts hielt auch die Reformbewegung an der talmudischen Regel fest, dass das Judentum nur durch die Mutter weitergegeben wird, weil nur die Mutter das absolut sichere Elternteil des Kindes sein kann. Später wurde dieses Gesetz von der Reformbewegung als sexistisch angesehen, und es wurde möglich, die jüdische Abstammung auch über den Vater zu erhalten.

               In der Zwischenzeit war die Reformbewegung auch in Amerika sehr aktiv geworden, und es entstand eine große Menschengruppe, die sich selbst als jüdisch bezeichneten und fühlten, es aber nach den ursprünglichen orthodoxen-jüdischen Standards nicht waren. Natürlich waren nicht alle Reformjuden nicht-jüdisch (ein bekanntes Missverständnis in dieser Frage), aber in dieser Gruppe, die heute 80 % der Amerikanischen Juden ausmacht, gab es viele Menschen mit zweifelhafter Abstammung.

Amerikanischer Druck

Als Israel unabhängig wurde, hatte David ben-Gurion, der erste Premierminister, als Faustregel, dass, was den jüdischen Charakter des Staates anbelangt, die Richtung der Orthodoxie immer befolgt werden sollte, auch wenn es viele Israelis gab (einschließlich ben-Gurion selbst), die nicht alle religiösen Gesetze im Detail befolgten. Das Oberrabbinat von Israel erhielt das Monopol für die Ehegesetze. In Israel gibt es daher keine Zivilehe und keine zivile Scheidung.

In der Zwischenzeit hatten sich in Amerika jedoch drei große Bewegungen entwickelt, die sich selbst als jüdisch bezeichneten: Orthodoxe, Konservative und Reformer. Von den beiden letzteren waren ein erheblicher Prozentsatz halachische Nicht-Juden. Die letztgenannten Gruppen konnten nicht einfach das „Recht auf Rückkehr“ nach Israel beanspruchen, denn dieses Gesetz galt nur für Menschen, die vor dem Israelischen Gesetz jüdisch waren (d. h. die Orthodoxen)!

                   Seit Jahren wird die Frage „Wer ist Jude“ (die besser „Wer ist nicht jüdisch“ hätte heißen können) außerhalb der Knesset, dem israelischen Parlament, diskutiert. Erst unter Premierminister Netanyahu (der 1996 gewählt wurde) wurde das Thema auf Druck seiner religiösen Koalitionspartner im Parlament besprochen. Es wäre nicht schwer gewesen, die orthodoxe Sichtweise als Gesetz zu verabschieden, wenn nicht von Amerika aus, großer Druck von Seiten der Reform- und der Konservative Gruppen ausgegangen wäre, die eine große Zahl von Menschen in ihrer Mitte haben, die dann außen vor geblieben wären. Und der Druck war deshalb so groß, weil diese Gruppen den israelischen Staat und alle Arten von Wohltätigkeitsorganisationen wie den United Jewish Appeal finanziell und politisch stark unterstützen. 

Die Ne’eman-Kommission

Um dieser schmerzvollen Situation auf den Grund zu gehen, setzte die israelische Regierung 1997 die Ne’eman-Kommission ein. Der Ausschuss hatte die Aufgabe, alle Fakten zu klären und einen Kompromiss zwischen der Reform- und der Konservativen Bewegung und dem Oberrabbinat Israels, das die orthodoxe Richtlinie vertritt, zu finden. Die große Frage war: Sollte das Israelische Recht weiterhin der orthodoxen Auffassung entsprechen oder sollte Israel sich davon lösen und ein säkulares Eherecht entwickeln?

               Eine Abkehr von der orthodoxen Auffassung würde dazu führen, dass Menschen nach Israel kommen, die nach orthodoxer Auffassung keine Juden sind. Leider ist dieses Phänomen bereits seit 1990 zu beobachten: Viele Einwanderer sind nicht-jüdisch, haben es aber dennoch geschafft, in das Land zu kommen. Ein orthodoxer Rabbiner wird keine Ehe schließen wollen, bei der einer der Partner nicht jüdisch ist. Noch schmerzhafter wird es, wenn sich Reformer und Konservative zur Orthodoxie hingezogen fühlen und beschließen, ein orthodoxes Leben zu führen (Ba’alei teschuwa). Einige dieser enthusiastischen Menschen stellen im Laufe des Prozesses fest, dass sie gar keine Juden sind oder als Mamzer stigmatisiert werden.

Dramen hinter den Kulissen

Wären wir nie von der orthodoxen Leitlinie abgewichen, wäre diese Gruppe der „zweifelhaften Juden“ (safek yehudi) nie entstanden. Natürlich tragen die Opfer dieses zweifelhaften Status nicht selbst die Schuld. Die Ursachen liegen Generationen früher. Oft sind die Opfer überfordert, wenn sie hören, dass ihr Judentum in Frage gestellt wird. Die Dramen spielen sich in den Sprechzimmern orthodoxer Rabbiner ab, wenn ein junges Paar zu dem Schluss kommt, dass seine Ehe unerlaubt oder praktisch unmöglich ist.

Bait Schammai und Bait Hillel

Auch in der Zeit der Mischna (die ersten Jahrhunderte nach der gemeinsamen Zeitrechnung) gab es solche Fragen. Die Studierhäuser der Gelehrten Hillel und Schammai unterschieden sich in einigen Bereichen des Familienrechts. Dies sollte jedoch nicht dazu führen, dass ihre Anhänger einander nicht heiraten, und deshalb sagten sie einander immer, welche Menschen nach der Meinung des anderen nicht verheiratet werden konnten.  

               In unserer Zeit gibt es Menschen, deren Status nicht mehr klar ist.  Um sie dreht sich diese endlose und unheilvolle Diskussion, die in der Literatur manchmal als Catch-22-Situation bezeichnet wird und auf einem Roman von Joseph Heller beruht.  Dieser Roman handelt von einer ausweglosen Situation.

Nur der Maschiach, der Erlöser, wird Licht in diese Angelegenheit bringen können. Das Warten und Hoffen liegen bei Ihm!