Feb ‍‍2024 - תשפד / תשפה

Führung bedeutet, anderen Raum zu geben

   Tezawe ist bekanntlich die Parascha, in der Moses ausnahmsweise an zweiter Stelle steht. Tatsächlich wird er namentlich überhaupt nicht erwähnt. Die ganze Aufmerksamkeit gilt seinem Bruder Aaron und der von ihm übernommenen und verkörperten Rolle des Hohepriesters, des Kohen Gadol.

Es gibt viele Vermutungen darüber, warum diese Aufgabe Aaron und nicht Moses selbst übertragen wurde. Die naheliegendste ist, dass dies die Strafe für Moses war, weil er Gottes Bitte, das Volk Israel zu führen, einmal zu oft abgelehnt hatte.

„Und Moses sagte: ‚Herr, vergib deinem Diener. Bitte sende einen anderen.‘

Da entbrannte der Zorn des Ewigen gegen Moses, und Er sprach: ‚Was ist mit deinem Bruder Aaron, dem Leviten? Ich weiß, dass er gut reden kann. Er ist schon auf dem Weg zu dir und wird sich freuen, dich zu sehen. Du sollst mit ihm reden und ihm die Worte in den Mund legen. Ich will euch beiden helfen zu reden und euch lehren, was ihr tun sollt. Er wird für dich zum Volk reden, er wird dein Sprecher sein, und du wirst ihn anleiten‘“ (Exod. 4:13-16).

Es gibt jedoch eine tiefere Botschaft, nämlich das Prinzip der Gewaltenteilung, das sich gegen die Konzentration der Führung auf eine Person oder eine Institution wendet. Jede menschliche Autorität bedarf der Gewaltenteilung, wenn sie nicht korrumpiert werden soll. Insbesondere sollten politische und religiöse Führung, Keter Malchut und Keter Kehuna, niemals miteinander verbunden werden. Moses trug die Kronen der politischen und prophetischen Führung, Aaron die des Priestertums. Die Trennung ermöglichte beiden, sich gegenseitig zu kontrollieren.

Soweit die Theorie. Besonders interessant ist, wie sich dies auf die persönlichen Beziehungen auswirkt, in diesem Fall auf die zwischen den beiden Brüdern Moses und Aaron. Die Tora berichtet relativ wenig über ihre familiäre Dynamik, aber allein die Andeutungen sind faszinierend.

Betrachten wir zunächst die Stelle am Anfang des Buches Exodus, wo Gott zu Moses sagt, dass Aaron „schon auf dem Weg zu dir ist und sich freuen wird, dich zu sehen“. Das klingt wie eine einfache Aussage, ist aber in Wirklichkeit alles andere als gewöhnlich.

Moses war Aarons jüngerer Bruder, drei Jahre jünger als er. Wäre es da nicht normal gewesen, wenn Aaron mehr als nur ein wenig Eifersucht verspürt hätte, als sein jüngerer Bruder sich anschickte, der Führer zu werden, zu dem er selbst nicht bestimmt war, zumal Moses sein Leben nicht unter seinem Volk verbracht hatte? Er war zunächst ein adoptierter Prinz in Ägypten gewesen und hatte dann bei Jitro und den Midianitern Zuflucht gesucht. Im Vergleich zu Aaron war Moses, sein jüngerer Bruder, auch ein Außenseiter.

Doch Gott sagt: „Er wird sich freuen, dich zu sehen.“

Aarons Fähigkeit, sich über den Aufstieg seines Bruders zu freuen, ist besonders bemerkenswert, wenn man die gesamte biblische Geschichte der Beziehungen zwischen Brüdern bis zu diesem Punkt betrachtet. Es war eine Reihe von Variationen des Themas Geschwisterrivalität: Kain und Abel, Isaak und Ismael, Jakob und Esau, Joseph und seine Brüder. Der Psalm sagt:

„Wie gut und angenehm ist es, wenn Brüder miteinander leben“ (Psalm 133:1).

Und wenn wir Bereschit lesen, sind wir versucht hinzuzufügen: „… und wie selten auch“.

Doch nun kommt die zweite Prüfung, diesmal nicht für Aaron, sondern für Moses. Dieser wird nun beauftragt, eine Form der Führung zu schaffen, die er selbst nie ausüben kann, nämlich das Priesteramt, und derjenige, dem er es übertragen soll, ist sein älterer Bruder. Wird er dies mit der gleichen Großzügigkeit tun, die sein Bruder ihm gegenüber gezeigt hat?

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass Gott darauf besteht, dass es Moses ist, der Aaron diese Ehre zuteilwerden lässt.

Dreimal wird zu Beginn der Parascha das Wort we’ata, „Und du“, gebraucht:

Und du sollst den Israeliten gebieten, dir reines Öl zu bringen“ [für die Lichter der Menora, die Aaron und seine Söhne ständig brennen lassen sollten] (Exod. 27:20).

Und du sollst deinen Bruder Aaron und seine Söhne nahe zu dir holen, damit sie mir als Priester dienen, Aaron und seine Söhne Nadab und Abihu, Elasar und Itamar. Und du sollst deinem Bruder Aaron heilige Kleider machen, zur Ehre und zum Schmucke“ (Exod. 28:1-2).

„Und du sollst zu allen geübten Handwerkern sprechen, die ich mit dem Geist der Weisheit ausgestattet habe, und sie bitten, Aarons Gewänder anzufertigen; diese sollen ihn zum Priester weihen“ (Exod. 28:3).

Moses muss dem Volk – und Aaron selbst – zeigen, dass er die Demut, das Zimzum, die Kraft der Zurückhaltung besitzt, die notwendig ist, um einem anderen Platz zu machen, der an der Führung des Volkes teilhaben kann. Jemandem, dessen Stärken nicht die seinen sind, dessen Rolle sich von der seinen unterscheidet, jemandem, der vielleicht beliebter ist und dem Volk näher steht als Moses – wie es sich bei Aaron in der Tat erweisen würde.

Selten war eine Führungsperson in der Lage, das Rampenlicht so großzügig mit anderen zu teilen. Im Jahr 2005 veröffentlichte die Historikerin Doris Kearns Goodwin ein einflussreiches Buch über Abraham Lincoln mit dem Titel Team of Rivals (Team der Rivalen). Darin erzählt sie, wie Lincoln die drei Männer in sein Kabinett berief, die gegen ihn als Kandidaten für die Führung der Republikanischen Partei angetreten waren. William Henry Seward, von dem erwartet wurde, dass er gewinnen würde, sagte schließlich über ihn: „Seine Großmut ist fast übermenschlich … der Präsident ist der Beste von uns.“

Es bedarf eines besonderen Charakters, um denen Raum zu geben, die man zu Recht als seine Rivalen betrachtet. Aaron hat diese Charakterstärke schon früh gegenüber Moses gezeigt, und nun ist Moses gefordert, sie gegenüber Aaron unter Beweis zu stellen.

Zu wahrer Führung gehören Demut und Großmut. Je kleiner das Ego, desto größer die Führerschaft. Das beweist Moses in der Parascha, die seinen Namen nicht nennt.

Die Parascha in anderen Sprachen finden Sie hier