Jan ‍‍2013 - תשעג / תשעד

Wieso machen wir Netilat Yadaim vor der Brotmahlzeit?

Unsere Gelehrten haben festgelegt, dass wir vor dem Essen von Brot die Hände rituell zu waschen haben, dieses Gebot nennen wir „Netilat Yadaim“ (Talmud Chulin, Blatt 105).
Für dieses Gebot gibt es 2 halachische Gründe und analog einen Verweis in der Tora, gleichwohl das Gebot des „Netilat Yadaim“ selber kein Tora-Gebot ist. (siehe Talmud Brachot, Blatt 53, Talmud Chulin, Blatt 105 – 106).
Folgende sind die Gründe für Netilat Yadaim:
In den Tempelzeiten galten Reinheitsgesetze, die vor allem (aber nicht nur) für die Kohanim relevant waren: Wann immer man mit etwas beschäftigt war, dass nach Tora einen „heiligen“ Status hatte, wie z.B. das Betreten des Tempels, das Essen / Berühren von Abgaben (Trumot) oder das Essen /Berühren von Opferfleisch (Kodschim), musste man sicherstellen, dass man rituell „rein“ war (tahor). Um die Kohanim von möglicher Unreinheit besser zu schützen, beschlossen die Gelehrten, dass die bloßen Hände, mit denen die Kohanim ihr Brot aßen als unrein galten, solange sie nicht rituell gewaschen worden sind. Dies galt anfangs nur für die Kohanim und auch nur im Falle von Brotessen, denn die meisten Abgaben an die Kohanim waren Weizenabgaben (nach der Tora ist man verpflichtet dem Kohen vom Weizen / Brot, vom Wein / Weintrauben und vom Öl / von Oliven Abgaben zu leisten). Praktisch bedeutete dies, dass ein Kohen, wenn er also sein Abgabenbrot gegessen hat, ohne sich davor die Hände zu waschen, er ein rabbinisches Verbot begangen hat (seine Abgabe wurde „passul“- unbrauchbar). Diese ist die erste halachische Quelle für das Gebot von Netilat Yadaim.
Als zweiten Schritt haben die Gelehrten, dieses Gebot ausgeweitet und für jeden Juden ebenso festgelegt, also in dieser Vorschrift nicht mehr zwischen Kohen und Nichtkohen unterschieden. Daher gilt bis heute das Gebot des Netilat Yadaim für uns alle, auch für Nicht-Kohanim, auch in einer Zeit ohne Tempel. (siehe hierzu v.a. im Schulchan Aruch, Hilchot Netilat Yadaim, סימן קנח סעיף א‘
Der andere Grund für Netilat Yadaim hat mit allgemeiner „Nekiyut“ (Sauberkeit) und „Keduscha“ (Heiligkeit) zu tun, die wir als Verhaltensweisen auf uns zu nehmen haben, und die sich in dem Gebot des Netilat Yadaim besonders ausdrücken, da ja die Hände des Menschen stets beschäftigt sind und schnell unsauber werden. In diesem Falle griffen die Gelehrten ideell auf die rituelle Waschung der Kohanim im Tempelbecken zurück. Jeder Kohen hatte beim Eingang in den Tempel stets Hände und Füße zu waschen. Die Tora spricht in diesem Zusammenhang von einer „heiligen“ Verhaltensweise: והתקדשתם והייתם קדשים. Wir sehen also, dass rituelle Waschungen eine gewisse „Heiligkeit“ im Menschen erzeugen. (siehe hierzu ausführlich in Mischna Brura, סימן קנח ס“ק א‘ )
Vor allem der erste Grund für Netilat Yadaim wird für uns halachisch dann relevant, wenn es um die Brotmenge geht, die wir bei einer Mahlzeit essen möchten. Denn man muss wissen: Reinheits- und Unreinheitsvorschriften bei denen es um Speisen geht, sind von der Größe / der Menge einer Speise abhängig: Nach Toragesetz kann eine Speise, die kleiner ist als die Mengengröße eines Eies (halachisch: „KaBeyza“) keine Unreinheit erhalten, denn eine solche kleine Speise ist nicht in der Definition „richtigen“ Essens. Nach der Meinung des „Rokeach“ (nachtalmudischer Gelehrter aus Zeiten der Rischonim) braucht man daher auf Brot in kleiner Menge, weniger als die halachische Mengengröße eines Eies, den Segen auf Netilat Yadaim nicht zu sprechen. Auf Brot in noch kleinerer Menge, weniger als die halachische Mengengröße einer Olive („KaSait“), braucht man nicht einmal Netilat Yadaim zu machen, so auch die Meinung vieler anderer (wie z.B. der TaS, der BaCh und andere). Jedoch neigen wir dazu, Netilat Yadaim auch bei einer solchen kleinen Menge- ohne Segen – zu machen (siehe Mischna Brura).
Aus alldem ergibt sich für uns: Wer auf Brot Netilat Yadaim mit dem entsprechenden Segen machen möchte, der sollte darauf achten, dass er dann auch mindestens „KaBeyza“ Brot zu sich nimmt. Dies entspricht einem Gewicht von ca. 56 Gramm, etwa so viel wie 1½ Brotscheiben (etwa bei normalem – nicht zu dichtem – Brot).