Mai ‍‍2013 - תשעג / תשעד

Die 1 zu 60 Regel

Wenn eine verbotene Speise (halachisch: Issur) einer Art oder Geschmacksrichtung sich mit einer erlaubten Speise (halachisch: Heter) einer anderen Art oder Geschmacksrichtung vermischt, gelten bestimmte halachische Vermischungsregeln. Dabei ist es wichtig festzustellen, welches Verbot in welcher Weise sich mit welchem Erlaubten vermischt hat. Hierzu gibt es viele verschiedene Vorschriften.
Wenn eine verbotene Speise sich mit einer erlaubten Speise so vermischt hat, dass die verbotene Speise in der erlaubten Speise völlig aufgegangen ist und sie zusammen eine einheitliche Speise bilden, wenden wir in vielen Fällen die 1:60 Regel an (Bitul Beschischim).
Als Beispiel: Ein Tropfen Milch fällt in einen Fleischtopf und -beeinflusst durch die Hitze und die Flüssigkeit im Topf- geht der Tropfen in dieser Vermischung unter. Um zu wissen, ob nun der Geschmack der Milch die fleischige Speise verbietet oder nicht, können wir die 1:60 Regel anwenden.
In der Tora finden wir die folgende Quelle für die sog. 1:60 Regel:
Es wird beschrieben, wie der Nasir (ein Mensch, der geschworen hat keinen Wein zu trinken) nach Ablauf seiner Schwurzeit ein Opfer zu bringen hat. Zum Teil besteht die Opferdarbringung aus dem Kochen von Widderfleisch. Dabei wird die Keule des Widders mit den restlichen Fleischstücken zusammen gekocht („Sroa Beschela“). Diese Keule aber ist dem Kohen vorbehalten und gehört ihm als Teilstück des Opfers, daher ist sie einem fremden Nicht-Kohen streng verboten. (siehe Chumasch Bamidbar 6:19). Wie aber kann dieses für einen Fremden verbotene Teilstück zusammen mit dem restlichen Fleisch gekocht werden?
Der Talmud gibt hierauf eine Antwort: Da von dem erlaubten Fleisch 60 Mal mehr vorhanden ist, als von dem verbotenen Fleisch des Kohens, überträgt sich kein Geschmack von dem Verbotenen auf das Erlaubte. Hieraus lehrt der Talmud die 1:60 Regel, die also bedeuten soll: Der Geschmack einer verbotenen Speise wird in dem Moment aufgehoben (Bitul), wenn 60 Mal erlaubter Geschmack ihn durch die Vermischung aufhebt. (siehe Talmud Chulin, Blatt 98, ebenso Blatt 96)
Nun streiten die Rischonim, ob die 1:60 Regel nur eine Art Richtlinie, oder eine klare Vorschrift ist.
Nach Raschi ist diese Regel eine (rabbinische) Vorschrift. Nach seiner Methode ist eine verbotene Speise bei 60-facher Kraft gegen sie sozusagen nullifiziert. Der Einfluss der verbotenen Speise muss also vollständig aufgehoben sein, was demnach bedeutet, dass sogar dann, wenn ein Verbot nicht mehr zu schmecken wäre, die Vermischung verboten wäre, solange nicht ein 60-faches vom Erlaubten vorhanden ist. Nach Raschi ist es also notwendig, dass mindestens eine 60-fache Menge vom Erlaubten gegen das Verbotene vorhanden ist, damit die Vermischung gegessen werden darf. (siehe Raschi auf Talmud Chulin, Blatt 98 )
Nach der Meinung von Tosfot und anderen Rischonim ist die 1:60 Regel eine Richtlinie, also eine Orientierung, nach der wir uns zu richten haben, wenn wir nicht wissen, ob die verbotene Speise in der erlaubten Speise einen Geschmack hinterlassen hat. Die 1:60 Regel ist aber kein starres Gesetz, lediglich lernen wir aus dem Nasir-Abschnitt eine Art Möglichkeit, die dann anwendbar ist, wenn wir selber nicht herausfinden können, ob die erlaubte Speise von der verbotenen Speise auch den verbotenen Geschmack bekommen hat. Nach Tosfots Meinung ist gemäß Tora-Gesetz der Geschmack entscheidend (Taam KeIkar). Was also bedeutet: Solange der Geschmack einer verbotenen Speise in einer erlaubten Speise nicht zu schmecken ist, ist eine jede Vermischung zwischen Erlaubtem und Verbotenem zum Verzehr erlaubt. Wenn aber nicht die Möglichkeit besteht dies zu herauszufinden, wendet man die 1:60 Regel an. Nach Tosfots Meinung wäre eine Vermischung auch bei weniger als 1:60 evtl. erlaubt. (siehe Tosfot auf Talmud Chulin Blatt 98)
Im Schulchan Aruch wird diese Halacha, die im Übrigen sehr vielschichtig ist, folgendermaßen festgelegt:
„Bei einem Verbot, das sich mit einer erlaubten Speise – beide verschiedener Arten (Min Bescheeyno Mino) – vermischt hat, wie z.B. ein Tropfen Milch in einem Fleischtopf, kann ein Nichtjude davon schmecken und feststellen, ob die Milch im Fleisch zu schmecken ist…und wenn ein Nichtjude hiefür nicht vorhanden ist, so wenden wir die 1:60 Regel an..“
(Schulchan Aruch, Yore Dea, יו“ד צ“ח א‘ )
Halachisch wenden wir heute die 1:60 Regel an, statt einen Nichtjuden zu fragen (so die Meinung des RaMa), jedoch schreibt der SchaCh (siehe Siftey Kohen auf genannte Stelle im Schulchan Aruch) in seinem Kommentar zum Schulchan Aruch, dass aus dem Schulchan Aruch zu lernen ist, dass da wo der Nichtjude keinen verbotenen Geschmack feststellt, wir die Vermischung essen, also selbst dann, wenn das Verhältnis 1:60 nicht vorliegt. Und umgekehrt, wenn das Verhältnis 1:60 vorliegt, der Nichtjude aber immer noch einen verbotenen Geschmack feststellt, müssen wir ebenso auf ihn hören.
Hieraus sehen wir also: Entscheidend bei einer Vermischung ist zunächst einmal, ob der Geschmack des Verbotes wirklich vorhanden ist.