Apr ‍‍2013 - תשעג / תשעד

Der Streit um die Gelatine

In vielen Lebensmitteln befindet sich Gelatine. Gelatine wird oft aus Haut und Knochen von unreinen Tieren (Schwein vor allem) oder nicht koscher geschlachteten Tieren (Newela) hergestellt und dient oft als Geliermittel.
Ob der Verzehr von Gelatine, wie sie bei der industriellen Herstellung als trockene und geschmacksneutrale Substanz gewonnen wird, verboten ist, ist ein Streit in der Halacha.
Die Tora schreibt über das Fleisch unreiner Tiere: „Von ihrem Fleisch dürft ihr nicht essen..“(3. Buch 11:8). Und im talmudischen Midrasch wird dieser Vers so ausgelegt: „Die Warnung der Tora bezieht sich auf das Fleisch jener Tiere, nicht aber auf ihre Knochen, Sehnen, Hörner und Hufen“ (siehe „Torat Kohanim“ auf Wochenabschnitt Schmini, siehe auch Raschi im Chumasch).
Im Talmud gibt es eine halachische Auseinandersetzung, ob Knochen und Sehnen geschmacksneutral sind oder nicht. So z.B. hat die Tora die Spannader eines reinen und koscher geschlachteten Rindes verboten, obwohl sie keinen Geschmack hat. Die talmudischen Gelehrten sind der Meinung, dass die Tora das Fleisch eines verbotenen Tieres, da Fleisch Geschmacksträger ist, verboten hat, nicht aber Knochen z.B. und andere Bestandteile des Tieres, die nicht zum eigentlichen Verzehr, nicht als Fleisch, zählen. Der Talmud kommt zum Ergebnis, dass nicht-fleischige Bestandteile eines verbotenen Tieres nach Toragesetz nicht zum eigentlichen Essensverbot zählen, jedoch trotzdem nicht gegessen werden sollen (siehe Talmud Chulin, Blatt 114). So legt auch der RamBam diese Halacha fest. Und ebenso schreibt der Schulchan Aruch im Kontext des Kochverbotes von Fleisch und Milch, dass Knochen und Haut eines Tieres, wenn sie mit Milch gekocht werden, nicht als fleischige Speisen angesehen werden, da sie halachisch nicht als Fleisch gelten (Schulchan Aruch, Yore Dea, סימן פז ז ). In seinem Kommentar zum Schulchan Aruch schreibt der SchaCh (Siftey Kohen), dass aber trotzdem das Kochen von Knochen und Milch rabbinisch verboten ist (siehe ש“ך על השו“ע הנ“ל )
Als Zwischenergebnis sehen wir also: Die Tora hat das Fleisch des verbotenen Tieres verboten, nicht aber seine Knochen oder Haut. Dennoch dürfen wir nach rabbinischer Vorschrift auch diese nicht verzehren, oder mit Milch kochen.
Nun aber gibt es einen Streit unter unseren Gelehrten der Acharonim. Nach der Meinung des „Achiezer“ (Rabbi Chaim Oser Grodzinski) gilt dieses rabbinische Verbot nicht bei völlig ausgetrockneten Knochen, sondern nur bei Knochen, die weich und essbar sind, denn sie haben Geschmack (dennoch aber gelten sie nicht als Fleisch). Jedoch sind völlig harte und geschmacksneutrale Knochen in diesem rabbinischen Verbot nicht inbegriffen. Aus eben solchen Knochen wird u.a. die industrielle Gelatine hergestellt. (siehe hierzu תשובת אחיעזר ח“ג סי‘ ל“ג אות ה‘ ). Eine andere Meinung unter den Acharonim vertritt der Pri Megadim. Nach seiner Methode gilt das rabbinische Verbot für Haut und Knochen unreiner Tiere oder unkoscheren Fleisches ebenso für völlig harte und geschmacksneutrale, nicht essbare Knochen. Im Sinne des Pri Megadim haben auch andere bedeutende Poskim unserer Zeit Gelatine, die aus jeglichen verbotenen Knochen (oder Haut) hergestellt wurde, verboten. Dazu zählen z.B. der „Minchat Yitzhak“ (Rabbiner Yitzhak Weiss) oder der „Igrot Mosche“ (Rabbiner Mosche Feinstein).
Nun aber kommt noch ein Faktor hinzu:
Eine verbotene Speise, die keinen wirklichen Geschmack hat oder deren Geschmack in einer neuen Vermischung nicht zu spüren ist, ist immer noch verboten, wenn sie eine stabilisierende oder konsistierende Funktion für die Speise hat. Dieses nennen wir talmudisch-halachisch „Maamid“. Ein Maamid ist nach rabbinischem Gesetz immer verboten, aber unter der Bedingung, dass es vor seiner Vermischung essbar und genießbar war. Ob die industriell hergestellte Gelatine ein solches „Maamid“ ist, ist bis heute ebenso Streit unter vielen Poskim.
Nach der Meinung des „Har Zwi“ (Rabbiner Zwi Pessach Frank) und ebenso nach der Meinung des „Yabia Omer“ (Rabbiner Ovadia Yosef) verliert die Gelatine im industriellen Herstellungsprozess nicht nur ihren ursprünglichen Geschmack vollständig (Eyno Raui Leachila), sondern ebenso seine Form (Schinui Zura). Daher gilt die heutige Gelatine weder als Speiseverbot, noch als Maamid (siehe hierzu: שו“ת הר צבי יו“ד פג יביע אומר ח“ח יו“ד יא )
Nach der Meinung von Rav Mosche Feinstein, ist die Tatsache, dass die Gelatine in einem Zwischenstadium ihres Herstellungsprozesses Form und Geschmack vollständig verlieren kein Grund sie zu erlauben, denn auch die industrielle Zersetzung einer rabbinisch verbotenen Speise befreit diese nicht von ihrem ursprünglichen Verbot, wenn die Zersetzung dazu dient, dass die stabilisierende Funktion der Speise erhöht wird, wie es bei Gelatine der Fall ist. Zwar verliert die Gelatine ihre ursprüngliche Knochen –oder Hautbeschaffenheit, dies aber geschieht zum Zwecke der Verstärkung ihrer Maamid-Funktion.
In Anbetracht dieser halachischen Bedenken neigen wir dazu, Speisen mit unkoscherer Gelatine nicht zu verzehren und zu verbieten, und das hat seine Richtigkeit. Ob einige der verwendeten Gelatinen in der heutigen Nahrungsmittelindustrie, die unkoscheren Ursprungs sind, jedoch eindeutig verboten sind, ist halachischer Streit.