Jan ‍‍2016 - תשעו / תשעז

Paraschat Wa´era 5776

Daf Paraschat HaSchawua

Daf Va’era 5776

Paraschat Wa’era
Schabbat Mewarchim
8./9. Januar 2016
28. Tewet 5776

Schmot 6:2 – 9:35
Haftara: Jecheskel 28:25 – 29:21
Die Parascha in Kürze

• G-tt versichert Mosche, dass Er das jüdische Volk von der Sklavenarbeit befreien, aus Ägypten hinausführen, es Sein auserwähltes Volk sein und Er es nach Eretz Jisrael bringen wird, das Er den Stammvätern versprochen hat
• Mosche und Aron fordern Pharao auf, das Volk ziehen zu lassen und nach seiner Weigerung werden durch Mosche und Aron die Wunder der zehn Plagen initiiert, von denen wir in dieser Parascha die ersten sieben Plagen hören: alles Wasser wird in Blut verwandelt, Frösche überziehen das ganze Land Ägypten, Staub wird in Läuse verwandelt, wilde Tiere halten das Land in Terror, das Vieh erliegt einer Seuche, Ruß bewirkt den Ausschlag von Hautgeschwüren, riesiger Hagel, der mit Feuer gefüllt war, zerstört die Gersten- und Flachsernte und Heuschreckenschwärme über dem ganzen Land, vernichten alles, was der Hagel übriggelassen hat
• Pharao weigert sich nach dem Ende jeder Plage, das Volk gehen zu lassen

Konzept der Woche
כֹּה אָמַר ה‘ בְּזֹאת תֵּדַע כִּי אֲנִי ה‘ הִנֵּה אָנֹכִי מַכֶּה בַּמַּטֶּה אֲשֶׁר־בְּיָדִי עַל־הַמַּיִם אֲשֶׁר בַּיְאֹר וְנֶהֶפְכוּ לְדָם:
„So spricht Haschem: daran magst du erkennen, dass ich Haschem bin; siehe ich schlage mit diesem Stabe, der in meiner Hand ist, auf das Wasser im Nil und es wird sich in Blut verwandeln (7:17)“.
Mit diesem Vers beginnt die Tora, uns von den zehn Plagen zu erzählen, die zur Erlösung des jüdischen Volkes aus der Knechtschaft in Ägypten führten. Mit zunehmender Intensität bringen die zehn Plagen Pharao dazu, Am Jisrael aus der Versklavung zu entlassen und es endlich ziehen zu lassen. Aber war es wirklich nötig, dass G-tt diese Wunder tat und damit ein ganzes Jahr ins Land gehen zu lassen, wie uns Rabbi Akiva in der Mischna Eduyos 2:10 sagt? Hätte G-tt nicht Pharao und den Ägyptern mit einem Mal einen Schlag versetzen und so das jüdische Volk befreien können?
Obwohl für G-tt natürlich alles machbar ist, liegt die Antwort auf diese Frage auch darin, wo sich das Volk spirituell zu Beginn der ersten Plage befunden hat. Ägypten symbolisierte damals Götzendienst und absolute Unmoral. Es war die ultimative Laissez-Faire-Gesellschaft. Für Jakow und seine Familie war es eine יְרִידָה – ein Heruntergehen und damit ein Abstieg – von Eretz Jisrael nach Ägypten zu gehen. Und nun war das jüdische Volk innerhalb von 210 Jahren sehr zahlreich geworden, aber hatte sich von den meisten Traditionen seiner Ahnen verabschiedet und die Sitten des Landes angenommen. Es war auf der 49. Stufe der טוּמְאָה – der spirituellen Unreinheit – angekommen. Es benötigte einen Prozess von zehn Schritten, um den Einfluss des dekadenten Lebens der Ägypter loszuwerden. Rabbiner Moshe Shapiro (1917-2006) erklärt, dass das Ziel des Exodus aus Ägypten nicht nur der physische Auszug war. Sie mussten zuerst ihre Seelen von der geistigen Knechtschaft befreien. Somit diente jede Plage nicht nur dazu, die Ägypter zu bestrafen und Pharao dem Exodus zustimmen zu lassen, sondern es war ebenso ein Mittel, die Juden von der Unreinheit Ägyptens zu befreien.
Der Satmar Rebbe, Rav Joel Teitelbaum (1887-1979), weist darauf hin, dass wir eigentlich den Ausdruck „Yetzias Mitzrayim“ immer mit „Auszug aus Ägypten“ übersetzen. Korrekterweise bedeutet es aber „Auszug Ägyptens“ und damit der Auszug des Ägyptens in jedem jüdischen Menschen. Das verinnerlichte, verdorbene Wertesystem musste über Bord geworfen werden. Um Ägypten aus der jüdischen Seele ausziehen zu lassen, war ein schrittweiser Prozess vonnöten – die zehn Plagen. Spirituelle Änderungen geschehen nicht über Nacht und es ist auch meistens zu überwältigend für einen Menschen, wenn er sich zu schnell verändern will.
Dies ist auch ein grundlegendes Prinzip der Mussar-Idee. Wenn sich ein Mensch verbessern will, soll er es in kleinen Schritten angehen, damit die Veränderung wirklich Fuß fassen kann und Bestand haben wird.

Frage der Woche: Warum sind alle Frösche gestorben, nachdem die Plage geendet hat? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.
Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Warum hat sich Mosche gewundert, als sich Pharao seiner Bitte verweigerte, obwohl ihm G-tt vorhergesagt hatte, dass er sich weigern würde? Ramban (1194-1270) erklärt, dass Mosche zwar wusste, dass Pharao nicht auf ihn hören und das jüdische Volk ziehen lassen würde, jedoch meinte, dass die Knechtschaft wenigstens erleichtert würde. Das Gegenteil traf aber ein.
Biographie der Woche

Rabbiner Samson Raphael Hirsch

Jahrzeit 27. Tewet

Rabbiner Hirsch wurde 1808 in Hamburg geboren. Zu seinen Lehrern gehörten außer seinem Großvater Mendel Frankfurter, der der Rosch Bet Din von Altona war, auch der Rabbiner von Hamburg, Rav Isaak Bernays (1792-1849), und Rabbiner Jakob Ettlinger (1798-1871), der eine führende Rolle gegen die immer stärker werdende Reformbewegung spielte. 1829 studierte Rabbiner Hirsch an der Universität Bonn alte Sprachen, Geschichte und Philosophie, aber verließ die Hochschule nach einem Jahr, ohne einen Abschluss gemacht zu haben. Er nahm die Stelle des Rabbiners von Oldenburg (1830-1841) an und wurde danach Rabbiner in Emden (1841-1847) und Landesrabbiner von Mähren (1847-1851). Von 1851 bis zu seinem Tod stand er der Frankfurter Austrittsgemeinde als Rabbiner vor, die zu Beginn nur etwa 100 Familien zählte.
Im frühen 19. Jahrhundert hatte die Strömung des Reformjudentums bei vielen deutschen Juden großen Anklang gefunden. Auch in Frankfurt äußerte sich die Reform in der Einführung einer Orgel und eines gemischten Chores in der Synagoge. Die in der Minderzahl befindlichen Frankfurter Juden, die das traditionelle jüdische Leben weiter befolgen wollten, gründeten eine Austrittsgemeinde, die schließlich auch über ihre eigene Infrastruktur verfügte. Unter Rav Hirschs Ägide entwickelte sich die Frankfurter „Israelitische Religionsgemeinschaft“ zu einer wegweisenden Gemeinde in der deutschen Orthodoxie. Er gründete dort eine Realschule, in der jüdische und weltliche Fächer unterrichtet wurden. Sein Ansatz war es, das toratreue Judentum mit modernem weltlichen Leben zu vereinen und als orthodoxer Jude seinen Beitrag zur deutschen Gesellschaft zu leisten. Diese Tora im Derech Eretz genannte Anschauungsweise verbreitete Rav Hirsch durch seine Schriften wie den Neunzehn Briefen des Ben Usiel, Choreb und seine Beiträge in der von ihm herausgegebenen Monatsschrift Jeschurun. Von großer Bedeutung ist ebenfalls sein Kommentar zur Tora. Rabbiner Hirsch war ein herausragender Redner und es ist ihm zu verdanken, dass die deutsche Orthodoxie gegen die Versuchungen der Assimilation und des Reformjudentums bestehen konnte.
Rabbiner Hirsch starb 1888 in Frankfurt.

Impressum: Herausgegeben von HMS © 2016