Sep ‍‍2015 - תשעה / תשעו

Paraschat Nitzawim 5775

Daf Nitzavim 5775

Daf Paraschat HaSchawua

Paraschat Nitzawim

11./12.September 2015
28. Elul 5775
Dewarim 29:9 – 30:20
Haftara: Jeschajahu 61:10 – 63:9

Die Parascha in Kürze

• Erneuerung des Bundes mit Haschem für alle Generationen
• Warnung vor Götzendienst und Exil
• Zukünftige Erlösung
• Immerwährende Zugänglichkeit der Tora für jeden Juden
• Freier Wille im Gegensatz zu Vorher-bestimmung

Konzept der Woche
אַתֶּם נִצָּבִים הַיּוֹם כֻּלְּכֶם לִפְנֵי ה‘ אֱלֹקֵיכֶם רָאשֵׁיכֶם שִׁבְטֵיכֶם זִקְנֵיכֶם וְשֹׁטְרֵיכֶם כֹּל אִישׁ יִשְׂרָאֵל: טַפְּכֶם נְשֵׁיכֶם וְגֵרְךָ אֲשֶׁר בְּקֶרֶב מַחֲנֶיךָ מֵחֹטֵב עֵצֶיךָ עַד שֹׁאֵב מֵימֶיךָ:
„Ihr steht heute alle vor Haschem, eurem G-tt, eure Häupter, eure Stämme, eure Ältesten, eure Aufseher, alle Männer Jisraels, eure Kinder, eure Frauen und wer dir aus der Fremde in die Mitte deiner Lager eingetreten, von deinem Holzhauer bis zu deinem Wasserschöpfer (29:9-10).”

Zu Beginn unserer Parascha spricht Mosche zum jüdischen Volk, nachdem es in der vorigen Parascha Ki Tawo die 98 Flüche vernommen hatte, die das Resultat für ein Verhalten entgegen den Gesetzen der Tora sein würden. Raschi erklärt zu Vers 12, dass das Volk die Flüche und die damit verbundenen schrecklichen Tragödien zuvor gehört hatte und die Gesichter der Menschen bleich vor Angst wurden. Das Volk fragte, wie man bestehen könne angesichts solcher Ankündigungen, wenn man denn sündigen würde? Mosche besänftigte das Volk und betonte:אַתֶּם נִצָּבִים הַיּוֹם – ihr steht heute – obwohl ihr den Allgegenwärtigen sehr erzürnt habt, hat Er euch doch nicht ausgelöscht; und siehe ihr besteht vor Ihm.
Kli Yakar (Rav Schlomo Ephraim Luntschitz, 1550-1619) stellt eine naheliegende Frage zu Mosches Beschwichtigung, dass sich das Volk ja schon oft Haschems Zorn ob seines Verhaltens zugezogen hatte, aber dennoch immer überlebt habe und so werde es auch in Zukunft sein. War denn nicht die Absicht der 98 Flüche, dass sich das Volk die Warnungen zu Herzen nehmen und nicht weiter den Gehorsam verweigern und Haschem zornig machen sollte?
Eine Antwort besteht darin, dass Mosche nicht den Einzelnen im Volk angesprochen hat, sondern das Volk als Ganzes. Dieser Ansatz lässt uns diese Verse besser verstehen, zumal da die Tora viele unterschiedliche Teile des Volkes aufzählt: von den Ranghöchsten und Einflussreichsten bis zum einfachen Mann, von Frau und Kind und vom Fremdling ist hier die Rede. Die Tora beschreibt nicht einfach die Versammlung des Volkes, sondern betrachtet eine Einheit, die viele Facetten hat. Mosche spricht zu der Vereinigung der zahlreichen Gruppen als Bnej Jisrael und versichert, dass es sie immer geben wird. Die Nation als Ganzes wird überleben, auch wenn viele Individuen immer wieder für die vielen Sünden sterben müssen.
In dieser Parascha werden wir aufgefordert, Verantwortung füreinander zu übernehmen und uns als Teil des Ganzen zu sehen. Das Konzept כָּל יִשְׂרָאֵל עֲרֵבִים זֶה בַּזֶה – ganz Israel ist füreinander verantwortlich – ist die Grundlage der Erneuerung des Bundes, den das jüdische Volk zu diesem Zeitpunkt, kurz vor Mosches Tod, mit Haschem schließt. Diese Verantwortung obliegt jedem Juden, aber es wird nicht von jedem gleich viel erwartet. Von den רָאשֵׁיכֶם – den Häuptern, also den Führungspersönlichkeiten – wird mehr verlangt als von den Wasserschöpfern. Aber niemand kann sich aus der Affäre ziehen und er muss nach seinen Fähigkeiten seinen Teil zum Ganzen beitragen.
Gerade jetzt, kurz vor Rosch Haschana, sollten wir nicht nur darüber nachdenken, wie wir selbst weniger vom Weg abweichen und mehr Mitzwot tun können, sondern wie wir auch anderen dabei behilflich sein können, mehr über das Judentum zu lernen und dies im Alltag umzusetzen.

Frage der Woche: Womit wird in obigem Vers auf die Pflicht angespielt, seinen Tora-Lehrer zu ehren? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.

Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Woher wissen wir, dass die Abgaben an die Leviim nicht aus Eretz Jisrael herausgebracht werden dürfen? Die Tora sagt in Vers 26:12 וְאָכְלוּ בִשְׁעָרֶיךָ – sie sollen in deinen Toren essen – was darauf hinweist, dass die Empfänger des Zehnten ihn in ihren Städten essen sollen.
Biographie der Woche

Rabbi Jisroel Meir Kagan –
Chofetz Chaim

Jahrzeit 24. Elul

Rabbiner Jisroel Meir Kagan wurde 1838 im polnischen Zhetl geboren, das damals zum zaristischen Russland gehörte. Im Kindesalter verlor er seinen Vater und wuchs in großer Armut auf. Diese Erfahrungen prägten ihn sehr und er begegnete zeitlebens seinen Mitmenschen mit großem Mitgefühl und Rücksichtnahme und lebte immer in einfachsten Verhältnissen.
Nachdem er in einer Jeschiwa in Vilna gelernt hatte, heiratete er mit 17 Jahren die Tochter seines Stiefvaters und zog in die kleine polnische Stadt Radin, die mehrheitlich von Juden bewohnt wurde. Zunächst betrieb er einen kleinen Lebensmittelladen, den seine Frau führte, damit er sich weiter dem Torastudium widmen konnte. Er achtete minutiös auf die Benutzung korrekter Maße und Gewichte und vergewisserte sich, dass kein Kunde übervorteilt wurde. 1869 eröffnete er eine Jeschiwa in Radin, die sich bald eines sehr guten Rufes erfreute. 1873 veröffentlichte er sein Buch Chofetz Chaim, das von den Gesetzen über Laschon Hara (üble Nachrede) handelt. Unter dem Namen Chofetz Chaim wurde er weltberühmt, denn er war nicht nur eine Tora-Autorität, sondern kümmerte sich um alle jüdischen Belange weit und breit. Er reiste bis ins hohe Alter, um das toratreue Judentum zu stärken. Als die Agudat Jisrael 1913 als politische Repräsentanz orthodoxer Juden gegründet wurde, war der Chofetz Chaim zusammen mit dem Gerrer Rebben (Rav Avrohom Mordechai Alter, Imrei Emes, 1866-1948) die treibende Kraft.
Der Chofetz Chaim schrieb Dutzende Bücher, von denen vor allem seine sechsbändige Mischna Brura zu nennen ist, die ein Kommentar zum Orach Chaim-Teil des Schulchan Aruch darstellt, und bis zum heutigen Tag als wichtige Referenz benutzt wird.
Der Chofetz Chaim starb 1933 in Radin und wurde in aller Welt betrauert.
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