Jul ‍‍2015 - תשעה / תשעו

Paraschat Devarim 5775

Daf Devorim

Daf Paraschat HaSchawua

24./25. Juli 2015
9. Aw 5775

Dewarim 1:1 – 3:22
Haftara: Jeschaja 1:1 – 27

Paraschat Dewarim
Schabbat Chason

Die Parascha in Kürze

• Mosche rekapituliert die Ereignisse des vierzigjährigen Aufenthalts in der Wüste inklusive des Desasters der Aussendung der Kundschafter
• Mosche erinnert an die siegreichen Kämpfe mit Sichon und Og und die Übergabe derer Gebiete an die Stämme Reuwen, Gad und den halben Stamm Menasche

Konzept der Woche

לֹא־תַכִּירוּ פָנִים בַּמִּשְׁפָּט כַּקָּטֹן כַּגָּדֹל תִּשְׁמָעוּן לֹא תָגוּרוּ מִפְּנֵי־אִישׁ כִּי הַמִּשְׁפָּט לֵאלֹקִים הוּא וְהַדָּבָר אֲשֶׁר יִקְשֶׁה מִכֶּם תַּקְרִבוּן אֵלַי וּשְׁמַעְתִּיו:
„Erkennet kein Angesicht im Gericht, Kleines wie Großes habt ihr anzuhören; habt euch vor niemandem zu fürchten, denn das Gericht ist G-ttes. Die Sache, die euch zu schwer ist, bringt ihr zu mir, so werde ich sie vernehmen (1:17).“
Raschi gibt eine Erklärung zu כַּקָּטֹן כַּגָּדֹל תִּשְׁמָעוּן – Kleines wie Großes habt ihr anzuhören: diese Worte beziehen sich nicht auf den finanziellen Wert der Verhandlungssache, sondern auf die Einkommenssituation der streitenden Parteien. Ob arm oder reich – niemand soll vor Gericht aufgrund seines Vermögens gerichtet werden. Schon in Wajikra 19:15 lesen wir לֹא־תִשָּׂא פְנֵי־דָל וְלֹא תֶהְדַּר פְּנֵי גָדוֹל – schenke einem Herabgekommenen nicht Berücksichtigung und einem Großen nicht bevorzugende Ehre. Fairness und Gerechtigkeit sollen die Maximen eines jüdischen Richters sein.
In diesem Rahmen stellen wir fest, dass ein armer Mensch von der Tora besonders betrachtet wird. Maharal (Rav Jehuda Löw von Prag, 1520-1609) belegt dies anhand mehrerer Stellen im Tenach. In Tehillim 72:2 heißt es יָדִין עַמְּךָ בְצֶדֶק וַעֲנִיֶּיךָ בְמִשְׁפָּט – er richte dein Volk in Recht und deine Armen in Rechtsordnung. Arme Menschen sind oft rechtschaffener, stehen damit G-tt näher und werden als Sein Volk betrachtet. In Dewarim 17:20 wird einem König nahegelegt: לְבִלְתִּי רוּם־לְבָבוֹ מֵאֶחָיו… לְמַעַן יַאֲרִיךְ יָמִים עַל־מַמְלַכְתּוֹ – dass sich nicht erhebe sein Herz über seine Brüder … auf dass er lange lebe in seinem Königreiche. Ein König muss sich als mächtigster Mann immer um Demut bemühen und darf sich seine Position nicht zu Kopf steigen lassen. Wenn sich ein König immer ehrlich um die Minderprivilegierten und deren Bedürfnisse kümmert, wird es ihm leichter fallen, keinen Hochmut zu empfinden. Die Tora sagt in Schemot 22:26 sehr eindringlich, dass wir Haschems Vorbild folgen sollen: וְהָיָה כִּי־יִצְעַק אֵלַי וְשָׁמַעְתִּי כִּי־חַנּוּן אָנִי – wird er zu mir schreien, so höre ich, denn ich bin gnadevoll. Halachisch gesehen muss ein mittelloser Mensch mit äußerster Gerechtigkeit behandelt werden. Wird ihm auch nur eine Peruta (geringe antike Münzeinheit) zu viel abgesprochen, ist es, als habe man ihm sein Leben genommen: ein armer Mensch braucht jeden Pfennig für seinen Lebensunterhalt.
Maharal erklärt weiter, dass ein König, der als Richter fungiert, nicht nur den ihm vorliegenden Fall entscheiden muss, sondern es ihm obliegt, Gerechtigkeit im ganzen Land aufrechtzuerhalten und zu pflegen. Er muss die Unterdrückten schützen. Arme Menschen klagen oft vor Gericht, dass ihnen doppelt geschadet wurde. Nicht nur finanziell wurde ihnen übel mitgespielt, sondern oft wurden sie zudem wegen ihrer Armut verfolgt. Der Richter muss dies alles in sein Urteil einbeziehen. In Mischlej 29:4 (Sprüche Salomons) heißt es: מֶלֶךְ בְּמִשְׁפָּט יַעֲמִיד אָרֶץ – ein König erhält durch Gerechtigkeit das Land. Alle Umstände seiner Regentschaft fordern von einem König Stärke und Mut, Gerechtigkeit zu verwirklichen und Unterdrückung zu bekämpfen. Diese Verantwortung hat er zeit seines Lebens zu tragen.
Kurz vor Tischa BeAv, dem Tag, an dem wir in tiefer Trauer der Zerstörung beider Tempel gedenken und auch das Buch Ejcha, das vom Propheten Jirmijahu verfasst wurde, in der Synagoge lesen, fühlen wir in unseren Herzen, was der Prophet dort zu Beginn des dritten Kapitels sagt: אֲנִי הַגֶּבֶר רָאָה עֳנִי בְּשֵׁבֶט עֶבְרָתוֹ – ich bin der Mann, der das Elend geschaut unter Seines Zornes Geißel. Wir bitten Haschem, unser Elend zu lindern und Gnade über uns walten zu lassen.

Frage der Woche: Was lernen wir aus Vers 1:17 über die Wahl von Richtern? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.
Zuletzt gestellte Frage und Antwort: Darf man Geräte mit Obstsaft kaschern? Idealerweise sollte man immer mit Wasser kaschern, aber hat man einmal Obstsaft dazu benutzt, ist das Gerät a posteriori koscher.
Biographie der Woche

Rabbiner Esriel Hildesheimer

Jahrzeit 5. Aw

Rabbiner Esriel Hildesheimer wurde 1820 in Halberstadt als Sohn eines Rabbiners geboren. Im Alter von siebzehn Jahren zog er nach Altona, um an der Jeschiwa von Rabbiner Jakob Ettlinger (1798-1871, Autor des Aruch LaNer) zu lernen, wo auch Chacham Isaak Bernays (1792-1849) einer seiner Lehrer war. Zeitgleich erwarb er die Hochschulreife und nahm 1840 ein Studium (u.a. der Mathematik und Philosophie) an der Universität Berlin auf. Er promovierte 1844 in Halle zum Thema „Über die rechte Art der Bibelinterpretation“ und wurde 1851 Rabbiner im damals Österreich-Ungarischen Eisenstadt. Dort gründete er eine jüdische Schule und eine Jeschiwa, die beide auch säkulare Fächer unterrichteten. Für die älteren Schüler hielt er gerade die Vermittlung von Mathematik für wichtig, um dadurch besser Gemara lernen zu können. 1869 berief ihn die Berliner orthodoxe Gemeinde Adass Jisroel als ihren Rabbiner. In Berlin begründete er 1873 das „Rabbinerseminar für das orthodoxe Judenthum“, aus dem berühmte Rabbiner wie Rav Joseph Zwi Carlebach (1883-1942) und Rav Schlomo Wolbe (1914-2004) hervorgingen.
Für Rabbiner Hildesheimer war weltliches Wissen in erster Linie ein Hilfsmittel, um die Tora besser zu verstehen, aber gleichzeitig wollte er den Absolventen seines Rabbinerseminars das Rüstzeug geben, den Reformern Auge in Auge entgegentreten zu können. Er kämpfte energisch gegen alle Bestrebungen der Vertreter des liberalen Judentums. Er starb 1899 in Berlin.

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