Mrz ‍‍2018 - תשעח / תשעט

Mischkan

MISCHKAN
»Und sprich zu den Kindern Israels«
Wie Mosche das Volk dazu aufruft, für den Bau des Heiligtums zu spenden
Wann haben Sie zum letzten Mal ein Bahnticket bestellt? Seit einigen Monaten muss ich das häufiger tun und habe dabei, G’tt sei Dank, schon eine beträchtliche Fertigkeit entwickelt. Der Vorgang ist den meisten Reisenden bekannt: Man geht auf die Webseite der Bahn, gibt das gewünschte Datum ein sowie Ausgangs- und Zielpunkt und sucht eine Verbindung, die einen möglichst schnell dorthin bringt.

Dieser Vorgang hat in gewisser Weise auch mit unserem Wochenabschnitt zu tun, denn auch das Volk Israel möchte möglichst schnell ans Ziel kommen.

VERSAMMLUNG In der Doppel-Parascha Wajakhel-Pekudej werden wir Zeugen einer großen Versammlung, zu der Mosche die ganze Gemeinde Israels einlädt, um ihr dort den Schabbat zu verkünden und sie dann aufzurufen, für den Bau des Mischkans, des Heiligtums, zu spenden.

Danach wird detailliert beschrieben, wie alle Geräte hergestellt und schließlich ins Heiligtum gebracht werden. Im letzten Kapitel unseres Wochenabschnitts, das gleichzeitig auch der Abschluss des 2. Buches Mose ist, lesen wir von einem historischen Ereignis: Der Bau wird beendet und das Heiligtum seiner Bestimmung übergeben.

Dieses abschließende Kapitel beginnt – wie es sich für ein Ereignis dieser Dimension gehört – mit der genauen Angabe des Datums. Es ist der 1. Nissan, also in etwa der Jahrestag der Auswanderung aus Ägypten. Vieles in diesem so beeindruckenden Kapitel erinnert an die Schöpfungsgeschichte, vor allem Vers 33 mit den Worten »wajechal Mosche et ha-Melacha« (»Da beendete Mosche das Werk«), das uns an die vertrauten Worte des Schabbat-Kiddusch »wajechulu haSchamjim weha-Arez« (»Da waren Himmel und Erde beendet«) erinnert.

SONDERSTATUS Doch abgesehen vom Datum – was macht dieses Ereignis und vor allem die letzten Passagen dieses zweiten Buches so bedeutsam und kraftvoll? Die Tora ist bekanntlich in fünf Bücher unterteilt – hebräisch: Chamischa Chumschej Tora oder griechisch: der Pentateuch. Ich möchte vorschlagen, die fünf Bücher in drei Gruppen zu unterteilen, und zwar so: 2–2–1. Das fünfte Buch hat einen Sonderstatus, ist es doch Mosches Abschiedsrede und wird »Mischne Tora«, Wiederholung der Tora, genannt. Hier werden Dinge, die in vorigen Büchern bereits erwähnt wurden, wiederholt, denn sehr bald wird das Volk Israel das Land betreten.

Das Ende von Sefer Schemot ist genau die Mitte der vier ersten Mose-Bücher. An dieser Achse stehend, befindet man sich an der Nahtstelle, am Scharnier zwischen zwei essenziell verschiedenen Einheiten.

Die Verse 34 bis 38, also die letzten kurz vor dieser gedachten Mitte, beschreiben, wie sich der Mischkan mit der Herrlichkeit G’ttes füllt und sogar Mosche keinen Zutritt hat.

WOLKE Zudem wird mitgeteilt, dass die Wanderung erst dann beginnen wird, wenn sich die Wolke erhebt, die jetzt gerade das Stiftszelt bedeckt. Bleibt aber die Wolke auf dem Stiftszelt, dann bedeutet dies, dass es jetzt nicht weitergeht.

Bis zu diesem Punkt waren wir hervorragende Individuen (1. Buch Mose). Wir erhielten ein g’ttliches Versprechen, das uns mit dem Glauben an die große Zukunft erfüllte, den wir auch unseren Nachkommen weitergaben. Im 2. Buch Mose sind wir ein Volk, versklavt, dann befreit, auf dem Weg ins verheißene Land. Am Anfang dieses Pfades werden wir zweimal »geimpft« – einmal bei der Spaltung des Schilfmeers und ein zweites Mal bei der Offenbarung am Sinai, als wir G’ttes Nähe spüren konnten. Die soll nun durch Seine Gegenwart im Mischkan dauerhaft bleiben.

Am Ende des 2. Buches Mose sind wir an der Schwelle zur Verwirklichung der großen Vision, des großen Planes. Ab jetzt schöpfen wir aus den erhaltenen Energien und Strukturen, um mit ihrer Hilfe den Weg durch die Wüste nach Eretz Israel in Angriff zu nehmen.

RICHTUNG Anhand der Wolke wird uns G’tt die Richtung und den Rhythmus vorgeben. Wir sollen nun den Weg von der Vision zur Verwirklichung beschreiten – schöpfend aus der Vergangenheit mit dem Blick in die Zukunft. Voller Enthusiasmus verlassen wir das zweite Buch und rufen, um für das Kommende gewappnet zu sein: »Chasak, chasak wenitchasek!« – »Seid stark, seid stark, auf dass wir gestärkt werden!«

So wie damals geht es uns auch heute: In der großartigen Zeit, die wir erleben dürfen, der Zeit der »Atchalta d’Geula«, dem Anfang der Erlösung, geht uns der g’ttliche Rhythmus nicht immer schnell genug. Und oft wollen wir nicht einsehen, warum uns G’tt gerade jetzt und ausgerechnet hier eine Stagnation des Erlösungsprozesses vorschreibt.

Doch wir müssen es beherzigen – gerade in diesen Tagen zwischen Purim und Pessach, den beiden Festen der Erlösung.

Aus: Allgemeine Jüdische Wochenzeitung – 08.03.2018