Sep ‍‍2014 - תשעד / תשעה

Grußwort der ORD zu Rosch Haschana 5775

Liebe Leserinnen und Leser.
Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Jahr.
Für einige von uns ist Rosch Haschanah ein Neujahrsfest, mit herrlichen Gebeten in der Synagoge unter der Leitung von vorzüglichen Kantoren. Für andere ist es gleichbedeutend mit einem herrlich gedeckten Tisch, mit speziellen Neujahrsgerichten, die nicht nur einen kulinarischen, sondern auch einen symbolischen Hintergrund haben. Für Dritte wiederum ist Rosch Haschanah wie eine Vorbereitung, eine Art Generalprobe für diese besondere Zeit, die mit Jom Kippur, den Versöhnungstag, ihren Höhepunkt findet, den Höhepunkt jüdischer Spiritualität, eine Zeit von Sühne und dem Näherkommen zu G’tt.
Für mich, und wie ich hoffe auch für viele andere, ist Rosch Haschanah vor allem eine Gelegenheit, Bilanz zu ziehen.
Rosch Haschanah ist der Jom Hadin, der Tag des Gerichtes.
Uns scheint es, dass ein Gericht immer bedeutet, dass einen Richter und einen Angeklagten gibt. Aber es ist nicht ganz richtig. Der große jüdische Gelehrte Hillel rät: „…beurteile deinen nächsten nicht, bis du an seine Stelle gekommen bist“(Mischna Awot 2:4).
Deswegen ist die ideale Rechtsprechung, wenn der Mensch sich selber richtet.
Das Ziehen der Schlüsse aus dem vergangen Jahr ist das Gericht selbst. Der Mensch prüft seine Taten, Worte und sogar seine Gedanken, „ob alles korrekt war, ob Verbesserungsbedarf besteht?“
G’tt auf der anderen Seite richtet auch an Rosch Haschanah. So, in Überstimmung mit Hillel, sagt Raw Huna, im Namen von Rabbi Ami, im Midrasch Rabbah: ,, der Heilige, gelobt sei Er – Er ist der Platz der Welt, nicht die Welt Platz von Ihm.“
Mit anderen Worten: G‘tt, der „alle Welten umgibt und alle Welten füllt „, ist an jeder Stelle und hat somit die Eignung gemäß der zitierten Mischnah („…beurteile deinen nächsten nicht, bis du an seine Stelle gekommen bist“) alle Menschen zu richten.
Diese Art des dualen Richtens, wenn nicht nur Gott Richter einer Person ist, sondern der Mensch sich auch selbst richtet, bewirkt, dass man Partner mit dem Schöpfer wird. Dieses gibt einem die Gelegenheit, nicht nur ein „Urteil“ zu erhalten, sondern auch sich wirklich zu verbessern. An der Schwelle zu einem neuen Jahr verbessert man sich damit nicht nur selbst, sondern auch den Rest der Welt mit einem zusammen.
Liebe Freunde, mögen wir alle in das Buch des Lebens eingetragen werden.
Ein gutes und süßes Jahr!
Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland