Dez ‍‍2016 - תשעו / תשעז

Daf Paraschat Wajeschew 5777

Paraschat Wajeschew
Schabbat Mewarchim
23./24. Dezember 2016
24. Kislew 5777

Bereschit 37:1 – 40:23
Haftara: Amos 2:6–3:8

Die Parascha in Kürze

• Jakow hat sich in Eretz Jisrael niedergelassen und zieht seinen Sohn Josef den anderen Kindern vor
• Die Brüder verkaufen Josef und lassen Jakow glauben, er sei tot
• Peretz, der Vorfahr von König David, wird Jehuda und Tamar geboren
• Josef wird nach Ägypten ins Haus Potiphars verkauft und steht bald dem Haushalt vor
• Potiphars Frau verleumdet Josef und er kommt ins Gefängnis

daf-vayeishev-5777
וַיַּעַבְרוּ אֲנָשִׁים מִדְיָנִים סֹחֲרִים וַיִּמְשְׁכוּ וַיַּעֲלוּ אֶת־יוֹסֵף מִן־הַבּוֹר וַיִּמְכְּרוּ אֶת־יוֹסֵף לַיִּשְׁמְעֵאלִים בְּעֶשְׂרִים כָּסֶף וַיָּבִיאוּ אֶת־יוֹסֵף מִצְרָיְמָה:
„Inzwischen zogen midianitische Männer, Händler, vorüber, zogen und holten Josef aus der Grube, und verkauften Josef an die Jischmaeliten für zwanzig Silberstücke, und diese brachten Josef nach Ägypten (37:28).”
Der Verkauf Josefs durch seine Brüder wurde von den Römern viele Jahrhunderte später zur Begründung herangezogen, dass führende Rabbiner in römischer Zeit zum Tode verurteilt und grausam getötet wurden. Wir lesen an jedem Jom Kippur und an jedem Tischa B’Aw über diese עשרה הרוגי מלכות – Zehn Märtyrer. Die Römer argumentierten, dass nach den Gesetzen der Tora die Todesstrafe für Kidnapping und den Verkauf eines Menschen verhängt werden müsse, aber Josefs Brüder nie dafür zur Verantwortung gezogen worden waren. Warum hat Haschem verfügt, dass erst zur Zeit des Zweiten Tempels und nach dessen Zerstörung (im 1. und 2. Jahrhundert) die Strafe für den Verkauf Josefs verhängt wurde? Des Weiteren hat Josef selbst keinen Groll gegen seine Brüder gehegt, sondern seine Rolle als Retter der Familie Jakows, die Haschem ihm zugedacht hatte, deutlich erkannt. Warum musste das jüdische Volk eine so furchtbare Strafe erleiden, wenn Josef seine Brüder nicht bestraft hat?
Rav Shlomo Fisher (geb. 1932) erklärt, dass Josefs Brüder nicht nur ihm selbst Unrecht angetan hatten, das er ihnen vergeben konnte und tatsächlich auch vergab, sondern mit dieser Tat auch den Status der Familie befleckten, die die Keimzelle des jüdischen Volkes war. Sie brachten שִׂנאַת חִינָם – grundlosen Hass – in die zwischenmenschlichen Beziehungen der Bnej Jisrael. Ungleich der Angriffe von außen, sei es durch einen Lawan oder Esaw, wird das jüdische Volk durch grundlosen Hass von innen bedroht. Von diesem Zeitpunkt an spielte grundloser Hass immer wieder eine Rolle unter Juden und führte zu Uneinigkeit. Besonders ausgeprägt zeigte sich diese Eigenschaft während der römischen Herrschaft in Eretz Jisrael und führte zur Zerstörung des Bet Hamikdasch, des Zweiten Tempels. Das war der Grund, warum der grundlose Hass der Brüder Josefs in den Jahrzehnten ausgeprägten Hasses im jüdischen Volk bestraft wurde.
Rav Dovid Cohen geht noch einen Schritt weiter und führt aus, dass grundloser Hass Verbitterung und vor allem auch מַחֲלוֹקֶת – Streitigkeiten – mit sich bringt. Damit kommt es zu keinerlei Kooperation. Projekte, die von Einzelnen nicht allein ausgeführt werden können, werden nicht verwirklicht. Jeder konzentriert sich auf seine eigenen egoistischen Ziele statt sein Scherflein dazu beizutragen, mit seinen individuellen Fähigkeiten der Allgemeinheit, und damit auch sich selbst, zu helfen. Josef allerdings war eine Führungsrolle von Haschem zugedacht. Er sollte das jüdische Volk vereinen, die individuellen Stärken zusammenführen, um ein gemeinsames, größeres Ziel im Dienste von Haschem zu erreichen. Diese Führungsposition stellte sich schon in Josefs Träumen dar, in denen er sich vorstellte, wie er alle Talente und Fähigkeiten der Brüder vereinte, um Haschem als zusammenhängendes Ganzes optimal zu dienen. Der Midrasch erklärt, dass Jakow erst den Kampf mit Esaw aufgenommen hat, nachdem Josef geboren war. Nur durch die Vereinigung aller positiven Eigenschaften unter einer Führungspersönlichkeit kann der Sieg über Esaw errungen werden, der die Inkarnation des rein sinnlichen und körperlichen Genusses darstellt, der nur im Hier und Jetzt lebt und dessen Ego im Mittelpunkt steht.
Als Erben Esaws werden die Römer angesehen. Der grundlose Hass in römischer Zeit verhinderte, dass viele Juden über ihren eigenen Horizont hinausdachten und kein Ziel hatten, das ihren persönlichen Erfolg überschritt. Die Anschuldigungen im Himmel gegen Josefs Brüder konnten zu dieser Zeit wiederaufkommen. Nun, da Esaws Erben die Oberhand gegen die Bnej Jisrael hatten, konnte die langfristige Konsequenz der Bestrafung einsetzen. Die Brüder hatten Josefs Fähigkeit abgelehnt, die Stärken der Familie zu lenken, um vereint Haschem auf dieser Welt zu dienen.
Dies zeigt uns nicht nur den hohen Stellenwert von אַחְדוּת – Einheit, sondern auch die Tatsache, dass heutige Taten noch in späteren Generationen zu Konsequenzen führen können.

Frage der Woche: Warum zerriss Jakow seine Kleidung (37:34)? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.

Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Welcher Art war Jakows Hüftverletzung? Der Engel verletzte Jakows Gid HaNascheh, normalerweise als Ischiasnerv identifiziert. Im Talmud wird im Traktat Chullin 90a diskutiert, ob der Engel nur Jakows rechte Hüfte oder beide Hüften verletzt hat.
Biographie der Woche

Rabbiner Tzwi Pessach Frank

Jahrzeit 21. Kislew

Rabbiner Tzwi Pessach Frank wurde 1873 im litauischen Kovno, das damals zum zaristischen Russland gehörte, geboren. Der außerordentlich begabte Junge war in Kontakt mit dem Rabbiner von Kovno, Rav Jitzchak Elchanan Spektor (1817-1896) und lernte in den Jeschiwot von Slabodka und Tels.
1892 machte er Aliya und lernte weiter an Jeschiwot in Jerusalem, u.a. an der Etz Chaim Jeschiwa, an der er bald auch unterrichtete. 1907 wurde er an den Bet Din von Jerusalem berufen. Mehr als 50 Jahre war Rav Frank Dajan und Posek (halachischer Dezisor) in Jerusalem, dessen Meinung großes Gewicht hatte.
Rav Tzwi Pessach Frank wurde die Position des aschkenasischen Oberrabbiners nach dem Tod von Rav Avraham Jitzchak Kook (1865-1935) angetragen, aber er lehnte diesen Vorschlag ab. Dennoch übte Rav Frank großen Einfluss vor und nach der Gründung des Staates Israel aus.
Rav Frank starb in der Nacht von Schabbat Wajeschew 5721 (1960) in Jerusalem.

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