Okt ‍‍2019 - תשעט / תשף

Daf Paraschat WaJelech 5790

Paraschat Wajelech
Schabbat Schuwa
4./5. Oktober 2019
6. Tischrej 5780

Dewarim 31:1 – 31:30
Haftara: Hoschea 14:2-10 & Joel 2:11-27
& Micha 7:18-20

Hier können Sie das DAF als pdf herunterladen: Daf Vayelech 5780

Die Parascha in Kürze
• Der letzte Tag in Mosche Rabbenus Leben
• Mitzwa von Hak’hel: der König liest aus der Tora alle sieben Jahre (im ersten Jahr des Schmitta-Zyklus‘) an Chol HaMoed Sukkot vor dem gesamten Volk

Konzept der Woche
וַיֵּלֶךְ מֹשֶׁה וַיְדַבֵּר אֶת־הַדְּבָרִים הָאֵלֶּה אֶל־כָּל־יִשְׂרָאֵל:

„Darauf ging Mosche und sprach diese Worte zu ganz Israel.“ (31:1)

Viele Mefarschim (Tora-Kommentatoren) fragen zu diesem Vers, wohin Mosche gegangen ist. Abarbanel (Rabbi Jitzchak Abarbanel, 1437-1508) bemerkt zu Vers 29:1 in der Parascha Ki Tawo, dass Mosche das jüdische Volk um sich versammelte, um zu ihnen zu sprechen. Die Tora erwähnt nicht, dass Mosche aufgehört hatte, das Volk zu lehren; daraus folgt, dass die ursprüngliche Versammlung ja noch bestehen sollte. Das wirft natürlich die Frage auf, warum Mosche irgendwo hingehen musste, um zum Volk zu sprechen.
Ramban (Rabbi Mosche ben Nachman, 1194-1270) erklärt, dass die Tora nicht alle Ereignisse aufführt. Mosche hatte tatsächlich zu lehren aufgehört und die Menschen waren in ihre Zelte zurückgekehrt. Nun aber hob Mosche eine andere Rede an, in der er sich vom Volk verabschiedete, bevor er starb. Aus diesem Anlass ging Mosche zum Volk – es kam nicht zu ihm. Ibn Esra (Rabbi Awraham ibn Esra, 1089-1167) schreibt, dass Mosche so handelte, weil er jeden einzelnen Stamm persönlich von seinem bevorstehenden Tod unterrichten wollte. Es war an dieser Stelle, sagt Ibn Esra, dass Mosche jeden Stamm mit dem speziellen Segen versehen hat, was wir in der kommenden Parascha „Wesot HaBracha“ lesen werden. Der Umstand, dass Mosche die Stämme persönlich aufsuchte und sie einzeln segnete, versetzte ihn in die Lage, das Volk zu trösten, zu stärken und ihm mitzuteilen, dass es nicht um seine Zukunft bangen müsse, weil Joschua eine sehr fähige Führungspersönlichkeit sei.
Rabbiner Awraham Saba (1440-1508, Spanien/Portugal) beschreibt in seinem Tora-Kommentar Zror HaMor, wie sich das jüdische Volk Sorgen über die Eroberung von Eretz Jisrael gemacht hat, das ja von Kanaanitern bewohnt wurde. Sie wussten, dass sie das Land erobern mussten und es kriegerische Auseinandersetzungen mit den Bewohnern geben würde. Mosche teilte ihnen mit, dass er nicht mehr in der Lage wäre, eine Schlacht anzuführen, selbst wenn G-tt es ihm gestattet hätte, den Einzug ins Land noch zu erleben, wie es im nächsten Vers heißt: וַיֹּאמֶר אֲלֵהֶם בֶּן־מֵאָה וְעֶשְׂרִים שָׁנָה אָנֹכִי הַיּוֹם לֹא־אוּכַל עוֹד לָצֵאת וְלָבוֹא – er sagte ihnen: Hundertzwanzig Jahre bin ich heute alt, ich werde ferner nicht ausgehen und eingehen können. Damit drückte Mosche aus, dass er körperlich nicht mehr fähig war und ihm die Kraft fehlte, in die Schlacht zu ziehen. Aber Mosche versicherte dem Volk, dass G-tt helfen und Sein Versprechen erfüllen würde, es nach Eretz Jisrael zu führen.
Sforno (Rabbi Owadia ben Jakow Sforno, 1475-1550) führt aus, dass Mosche zum jüdischen Volk ging, um sich zu vergewissern, dass es nach seinem Ableben nicht deprimiert sein würde. Sie hatten kurz zuvor (in der Parascha Netzawim, die wir vorige Woche gelesen haben) den Bund mit Haschem bekräftigt und Mosche wollte sichergehen, dass dieser Bund mit Freude und nicht mit Traurigkeit eingegangen wird.
Rabbiner Samson Raphael Hirsch (1808-1888) bemerkt, dass wir hier ein weiteres Beispiel für Mosches große Demut sehen. Das Protokoll für einen König lautet normalerweise, dass die Menschen zu ihm kommen und nicht umgekehrt. Mosche sah seine Aufgabe als beendet hat, die ihm Haschem als Führer vierzig Jahre gegeben hatte. Nun wollte er sich verabschieden und seinen Nachfolger bestärken. Unsere Weisen betonen immer wieder, dass Mosche der demütigste Mensch war, der je gelebt hat, und an dieser Stelle, selbst am unmittelbaren Ende seines Lebens, sehen wir einen weiteren Beweis dafür.

Frage der Woche: Worauf spielte Mosche mit den Worten an: ה‘ אֱלֹקֶיךָ הוּא עֹבֵר לְפָנֶיךָ – Haschem, dein G-tt, Er zieht vor dir her? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.
Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Was ist einzigartig an der Fähigkeit eines Menschen, freien Willen ausüben zu können (im Gegensatz zu einem Tier)? Ein Tier wählt, was es will. Aber nur ein Mensch kann wählen, was er nicht will, bemerkt Rabbiner Elyah Lopian (1876-1970).
Biographie der Woche

Rabbi Amnon von Mainz

Jahrzeit 1. Tischrej

Rabbi Amnon war ein sehr angesehener Rabbiner, der im 11. Jahrhundert in Mainz lebte. Der Erzbischof von Mainz versuchte immer wieder, ihn zum Christentum zu bekehren. Als er Rabbi Amnon eines Tages zu sich bestellte, forderte er ihn wieder dazu auf. Rabbi Amnon erbat sich drei Tage Bedenkzeit, aber bereute sehr schnell, überhaupt den Anschein erweckt zu haben, seinen jüdischen Glauben aufgeben zu wollen.
Als er nach drei Tagen nicht vor dem Erzbischof erschien, ließ ihn dieser vorführen. Rabbi Amnon erwiderte, dass ihm die Zunge herausgeschnitten werden sollte, weil er sich auf das Drängen des Erzbischofs eingelassen hatte. Aber der Erzbischof bestrafte sein Nichterscheinen mit dem Abschneiden der Hände und Füße des Rabbi Amnon.
Dies geschah kurz vor Rosch Haschana und Rabbi Amnon ließ sich in die Synagoge tragen. Als man mit der Keduscha beginnen wollte, bat Rabbi Amnon zu warten und betete das Gebet Unetanne Tokef, das eine Beschreibung des Tages des Gerichts ist. Er starb mit den letzten Worten des Gebets auf den Lippen.
Drei Tage später erschien Rabbi Amnon seinem Schüler Rabbi Kalonymus im Traum und lehrte ihn die Worte des Gebets. Er bat Rabbi Kalonymus, das Gebet Unetanne Tokef unter allen Juden zu verbreiten. Dieses sehr bewegende und aufrührende Gebet hat in unser Mussaf-Gebet an Rosch Haschana und Jom Kippur Eingang gefunden.
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