Jan ‍‍2020 - תשף / תשפא

Daf Paraschat Wajechi 5780

Paraschat Wajechi
10./11. Januar 2020
14. Tewet 5780

Hier können Sie das DAF als pdf herunterladen: Daf Vayechi 5780

Bereschit 47:28 – 50:26
Haftara: Malachim I 2:1 – 12

Die Parascha in Kürze

• Jakow fühlt nach 17 Jahren in Ägypten seinen Tod nahen und lässt seinen Sohn Josef, den ägyptischen Vizekönig, schwören, ihn in Eretz Jisrael zu begraben
• Jakow erhebt Josefs Söhne Ephraim und Menasche zu Stämmen wie seine eigenen Söhne und segnet sie
• Jakow lässt alle seine Söhne rufen und segnet sie; Reuwen, Schimon und Levi werden getadelt
• Nach Jakows Tod betrauert ihn ganz Ägypten und seine Familie begräbt ihn in Chevron in der Me‘arat HaMachpela
• Josef stirbt im Alter von 110 Jahren; er wünscht, dass seine Gebeine beim Auszug aus Ägypten mitgenommen und in Eretz Jisrael begraben werden

Konzept der Woche
וַיַּרְא יִשְׂרָאֵל אֶת־בְּנֵי יוֹסֵף וַיֹּאמֶר מִי־אֵלֶּה: וַיֹּאמֶר יוֹסֵף אֶל־אָבִיו בָּנַי הֵם אֲשֶׁר־נָתַן־לִי אֱלֹהִקִים בָּזֶה וַיֹּאמַר קָחֶם־נָא אֵלַי וַאֲבָרֲכֵם:

„Da sah Jisrael Josefs Söhne und sprach: Wer sind diese? Josef erwiderte seinem Vater: Meine Söhne sind es, die mir G-tt hier geschenkt. Er sprach: Nimm sie doch her zu mir, dass ich sie segne.“ (48:8-9)

Der Midrasch erklärt, dass Jakow nach seiner Ankunft in Ägypten mit Josefs Söhnen jahrelang Tora gelernt hat. Ist es dann nicht verwunderlich, dass er seine Enkelsöhne nicht erkannte? Jakows Augenlicht war im Alter schwach geworden, aber Malbim (Rabbiner Meir Leibusch ben Jechiel Michel Weiser, 1809-1879) erläutert, dass sich die Frage auf die Kleidung der beiden jungen Männer bezieht. Da Josef der Vizekönig des Landes war, trugen er und seine Söhne die ägyptische Kleidung der herrschenden Klasse. Die Gewänder der Hebräer, der Familie Jakows, unterschieden sich in starkem Maße von den Gewändern aller Ägypter. Die Gemara im Traktat Bava Kamma 83a berichtet, dass auch viele Jahrhunderte später die führende jüdische Familie in Eretz Jisrael, nämlich die Familie von Rabban Gamliel im 1. Jahrhundert, den Römern dadurch Respekt zollte, dass sie sich nach römischer Mode kleideten.
In unserem Vers, sagt Malbim, ist Jakow allerdings über die Aufmachung seiner Enkel entsetzt! Er will mit seinem Ausruf: „מִי־אֵלֶּה – Wer sind diese?“ ausdrücken: „Was sind denn das für Juden, die in nichtjüdischer Kleidung herumlaufen?“ Josef beschwichtigt seinen Vater und sagt ihm: „בָּנַי הֵם –meine Söhne sind es.“ Er will damit sagen, dass sie aufrechte Juden und g-ttesfürchtige Männer sind, die mit Recht „Josefs Söhne“ genannt werden. Sie kleiden sich nur wie Ägypter, denn „G-tt hat sie mir hier geschenkt.“ An diesem Ort also und in dieser Situation war es nötig, sich ägyptischer Kleidung zu bedienen.
Auch in den folgenden Generationen in Ägypten hielten Jakows Nachkommen an der Kleidung der Hebräer fest. Der Midrasch teilt uns mit, dass sie sich auch während der Versklavung immer noch durch ihre hebräischen Namen, ihre hebräische Kleidung und ihre hebräische Sprache von ihrer ägyptischen Umgebung unterschieden. Bis zum heutigen Tag gibt uns die Tora gewisse Regeln für unser Aussehen vor. Dazu gehört, dass Jungen und Männer die Ecken ihres Haupthaares nicht entfernen dürfen, sondern eine Mindestlänge des Haares erhalten sein muss. Ein weiteres Gebot ist, dass Männer keine Frauenkleidung (und umgekehrt) tragen dürfen. Auch die Gebote der Sittsamkeit sind bei der Kleiderwahl von allen Juden zu beachten.
Allerdings wurde auch von außen eine jüdische Kleiderordnung vorgeschrieben. Im Mittelalter wurde Juden das Tragen des sogenannten Judenhuts befohlen und in dieselbe Zeit fällt die Verordnung von gelben Gürteln oder Flecken, die sowohl muslimische als auch christliche Machthaber ihren jüdischen Untergebenen aufzwangen.
Heute ist in der westlichen Gesellschaft allen alles zu tragen erlaubt. Selbst der gute Geschmack setzt oft keine Grenze mehr. Aber immer noch kleiden sich toratreue Juden bewusst anders als ihre Umgebung und befolgen die seit Jahrtausenden praktizierten Regeln der Tora auch in ihrer äußeren Erscheinung. Sie wählen Kleidung, die einen Großteil ihres Körpers bedeckt und verheiratete Frauen bedecken ihr Haar. Gewisse jüdische Kreise, nämlich die Charedim, gehen noch einen Schritt weiter: Sie setzen ihre Bekleidungstradition aus Mittel- und Osteuropa fort und tragen ihre schwarzen Kaftane und Gehröcke sowie Streimlach (Pelzhüte) am Schabbat mit großem Stolz und dem Wunsch, sich auch äußerlich nicht der umgebenden Gesellschaft anzupassen.
Die Gebote der Tora, auch in Bezug auf unsere Kleidung, müssen wir natürlich weiterhin erfüllen. Darüber hinaus ist es vielleicht mal in einer ruhigen Stunde angebracht, sich selbst zu fragen: „Inwieweit bin ich bereit, mich erkennbar als Jude zu kleiden?“

Frage der Woche: Wer riet Joseph, seine Kinder zu Jakow zu bringen, als dieser krank war? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.
Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Warum sagt Joseph in Vers 45:4, als er sich seinen Brüdern zu erkennen gibt: אֲנִי יוֹסֵף אֲחִיכֶם – ich bin Joseph, euer Bruder? Ohr HaChaim (Rav Chaim ibn Attar, 1696-1743) erklärt, dass Josephs Liebe zu seinen Brüdern bestehen blieb, obwohl sie ihn verkauft hatten.
Biographie der Woche

Rabbi Chaim Kreiswirth

Jahrzeit 16. Tewet

Rabbiner Chaim Kreiswirth wurde 1918 in Wojnicz/Polen bald nach Ende des Ersten Weltkriegs geboren. Er verließ sein Elternhaus schon mit acht Jahren, um Tora zu lernen und wurde Bar Mitzwa ohne die Anwesenheit seiner Eltern, weil seine Familie zu arm war, um zu ihm zu reisen. Sein Genie brachte ihm schon in jungen Jahren den Namen „Krakauer Ilui“ ein. Rabbiner Meir Shapiro (1887-1933), der jung verstorbene Rosch Jeschiwa der berühmten Chachmej Lublin Jeschiwa, prüfte ihn noch als Kind über das Traktat Gittin und war von dem Jungen außerordentlich beeindruckt. Sein Gedächtnis war phänomenal und er konnte den Talmud Bavli und Jeruschalmi mit den wichtigsten Kommentaren auswendig.
Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges floh er aus Polen zunächst nach Litauen und dann nach Eretz Jisrael. Auf all seinen Wegen begegnete er den großen Tora-Gelehrten seiner Zeit und hinterließ überall den Eindruck eines jungen Tora-Genies, das aber gleichzeitig über Liebenswürdigkeit und Einfühlsamkeit allen Mitmenschen gegenüber verfügte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte Rav Kreiswirth zunächst, jüdische Kinder in katholischen Institutionen in Polen zu finden. Von 1947 bis 1953 war er Rosch Jeschiwa der Skokie Yeshiva in der Nähe von Chicago und folgte dann einem Ruf nach Antwerpen, wo er fast fünfzig Jahre wirkte. In dieser Zeit war er maßgeblich am Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde in Antwerpen beteiligt.
Illustriert wird sein Einfluss von folgender Geschichte: Gewöhnlich blieb Rav Kreiswirth bis zum Ende einer Hochzeitsfeier. Man fragte ihn, ob dies nicht für ihn große Zeitverschwendung sei und er stattdessen lieber lernen würde. Seine Antwort war, dass seine Anwesenheit bei einer Simcha vergewissere, dass angemessenes jüdisches Verhalten auf der Tanzfläche und im ganzen Saal aufrechterhalten werde
Rav Kreiswirth starb 2001 in Antwerpen.
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