Sep ‍‍2016 - תשעו / תשעז

Daf Paraschat Re´eh 5776

Paraschat Re’eh
Schabbat Rosch Chodesch

Daf Re’eh 5776

2./3. September 2016
30. Aw 5776

Dewarim 11:26 – 16:17
Haftara: Jeschajahu 66:1 – 24

Die Parascha in Kürze

• Das Volk soll nach dem Einzug nach Eretz Jisrael jeglichen Götzendienst aus dem Land tilgen
• Warnung vor falschen Propheten
• Auflistung der koscheren Tiere
• Ma’aser-Abgaben, Schmitta-Jahr und Umgang mit einem jüdischen Knecht
• Die drei Wallfahrtsfeste

Konzept der Woche

עַשֵּׂר תְּעַשֵּׂר אֵת כָּל־תְּבוּאַת זַרְעֶךָ הַיֹּצֵא הַשָּׂדֶה שָׁנָה שָׁנָה: וְאָכַלְתָּ לִפְנֵי ה‘ אֱלֹקֶיךָ בַּמָּקוֹם אֲשֶׁר־יִבְחַר לְשַׁכֵּן שְׁמוֹ שָׁם מַעְשַׂר דְּגָנְךָ תִּירֹשְׁךָ וְיִצְהָרֶךָ וּבְכֹרֹת בְּקָרְךָ וְצֹאנֶךָ לְמַעַן תִּלְמַד לְיִרְאָה אֶת־ה‘ אֱלֹקֶיךָ כָּל־הַיָּמִים:
„Von allem Ertrag deiner Saat, der auf dem Feld wächst, sollst du Jahr für Jahr den Zehnten absondern. Du sollst ihn vor Haschem, deinem G-tt, an dem Ort essen, den Er erwählen wird, um dort Seinem Namen Stätte zu geben: den Zehnten deines Getreides, deines Mosts und deines Öls sowie die Erstgeborenen deiner Rinder und Schafe, auf dass du lernst, Haschem, deinen G-tt, alle Tage zu fürchten (14:22-23).“
Raschi erklärt zu Vers 23, dass hier mit dem Zehnten der Ma’aser Scheni gemeint ist, weil dieser in Jerusalem verzehrt werden musste. In Paraschat Bechukotai (Wajikra 27:30) weist die Tora an, Ma’aser zu geben, d.h. ein Zehntel des Ertrags eines Bauern an die Levi‘im abzugeben, nachdem ein Fünfzigstel als Teruma an die Kohanim gegangen ist. Der Ma’aser Rischon kann von den Levi’im überall im Land gegessen werden, während aber der Ma’aser Scheni vom Landwirt entweder nach Jerusalem gebracht werden oder, wenn das zu unpraktisch war, der Erlös aus dem Verkauf in Jerusalem in Essen umgesetzt werden musste. Die Mischna geht in Traktat Ma’aser Scheni genauestens auf die Details ein.
Für uns ist es wichtig festzustellen, dass die Verpflichtung, den Ma’aser Scheni in Jerusalem zu essen, bedeutende Implikationen besitzt. Jerusalem war die Stadt, wo der heilige Tempel stand, wo die Kohanim ihren Dienst versahen, der Sanhedrin tagte und viele Toragelehrte lebten und lernten. Wie der Vers sagt, hat G-tt selbst diesen Ort ausgesucht. Die Schechina (g-ttliche Allgegenwart) befand sich dort und man konnte Haschem dort näherkommen als an irgendeinem anderen Platz der Welt.
Ramban (1194-1270) bemerkt, dass die Kohanim und die Richter in Jerusalem die Lehrer der Nation waren und Fragen bzgl. Tora und Mitzwot beantworteten und mittels ihrer Vorträge die G-ttesfurcht der Menschen vertieften. Für Raschbam (Rabbiner Schmuel ben Meir, 1085-1158, Raschis Enkel) ist es schon die Atmosphäre Jerusalems selbst, die größere G-ttesfurcht im Herzen verursacht: die Heiligkeit des Ortes mit jeder Faser des Seins zu empfinden, indem man die Kohanim die Opfer darbringen sieht und die Levi’im singen hört, wird noch ausgeweitet durch das Essen des Ma’aser Scheni, der in Reinheit verzehrt werden muss. Wer wird in dieser Umgebung nicht geneigt sein, sich mehr dem Toralernen zuzuwenden und die Gelegenheit zu nutzen, auf diese Weise spirituell zu wachsen? Wie schon so oft, sehen wir hier, wie stark unsere Umgebung uns prägt und wie wichtig es ist, an einem Ort zu sein, der Torawerte vermittelt und wo Menschen wohnen, die diese Werte mit Leben erfüllen. Aber selbst die Menschen, die den Boden in ganz Eretz Jisrael bearbeiteten und sich nicht ganzjährig dem Torastudium hingeben konnten, hatten die Möglichkeit und die Pflicht, mindestens einmal im Jahr nach Jerusalem hinaufzugehen und dort einen Teil der Früchte ihrer Arbeit zu verzehren.
Allein das Essen des Ma’aser selbst birgt schon Heiligkeit in sich und die Verse in Kapitel 14, die den obigen Versen vorausgehen, führen noch einmal die Koscherkriterien für Säugetiere und Fische an und zählen viele koschere Tiere auf. Rav Samson Raphael Hirsch (1808-1888) bemerkt, dass die Tora uns damit anweist, unsere moralische und spirituelle Heiligkeit nicht durch fragwürdiges Essen zu gefährden. Wir müssen essen, um zu überleben, aber für einen Juden handelt es sich beim Essen nicht um das Erfüllen eines körperlichen Bedürfnisses, sondern es hat idealerweise die Fähigkeit, den Menschen auf eine höhere Stufe zu erheben.

Frage der Woche: Welch allgemeine Regel kann man ableiten vonפָתֹחַ תִּפְתַּח אֶת־יָדְךָ – du sollst deine Hand öffnen (Vers 15:8)? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.
Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Was ist die Bedeutung der Forderung Haschems, Ihn zu fürchten? Die Gemara erklärt im Traktat Brachos 33b: es ist keine Vorbestimmung Haschems, ob ein Mensch g-ttesfürchtig sein wird oder nicht, sondern ist einzig die Wahl des Menschen.
Biographie der Woche

Rabbi Naftali Zvi Jehuda Berlin

Netziv

Jahrzeit 28. Aw

Rabbiner Naftali Zvi Jehuda Berlin wurde 1816 in Mir, das damals zum russischen Reich gehörte, geboren. Er tat sich in seiner Kindheit und Jugend nicht durch eine überaus große Begabung, sondern durch enormen Fleiß hervor. Er lernte in der Volozhin Jeschiwa, der ersten und bedeutendsten Jeschiwa jener Zeit, und wurde vom Rosch Jeschiwa Rabbi Itzele Volozhiner (1780-1849) als Schwiegersohn ausgesucht. Nach dessen Tod wurde der Netziv – das Akronym seines Namens – im Jahre 1854 zum Rosch Jeschiwa von Volozhin und leitete sie bis zu ihrer Schließung im Jahre 1892. Unter seiner Ägide kam die Volozhin Jeschiwa zur vollen Blüte und produzierte die rabbinische Elite, die Osteuropas Juden über Litauen hinaus bis zum Zweiten Weltkrieg führen würde, worunter Rabbi Shimon Shkop (1860-1939), Rabbi Isser Zalman Meltzer (1870-1953) und Rav Avraham Yitzchak Kook (1865-1935) zu zählen sind. Der Erfolg und große Zulauf der Volozhin Jeschiwa veranlasste Maskilim, die die Säkularisierung der jüdischen Bevölkerung zum Ziel hatten, die russischen Behörden zu Auflagen bzgl. des Curriculums der Jeschiwa zu bewegen. Es sollten nur säkulare Fächer von 9 bis 15 Uhr unterrichtet werden, der nächtliche Unterricht untersagt und die Studierstunden auf zehn Stunden täglich beschränkt werden. Statt sich diesen Restriktionen zu unterwerfen, beschloss der Netziv schweren Herzens, die Jeschiwa 1892 zu schließen.
Der Netziv legte besonderen Wert auf das Studium von NaCh und gab jeden Tag nach Schacharit einen Schiur zum Wochenabschnitt. Er unterstützte die jüdische Besiedelung von Eretz Jisrael, wohin er sogar noch kurz vor seinem Tod übersiedeln wollte. Er starb 1893 in Warschau.
Zu seinen Werken gehören Meishiv Davar – eine Sammlung von Responsen, Ha’Emek Davar – ein Chumasch-Kommentar und Davar Ha’Emek – ein Kommentar zu NaCh.

NaCh: Akronym von Nevi’im (Propheten) und Ketuwim (Schriften), den beiden Teilen der Bibel, die sich der Tora anschließen
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