Jun ‍‍2019 - תשעט / תשף

Daf Paraschat Nasso 5779

14./15. Juni 2019
12. Siwan 5779

Bamidbar 4:21 – 7:89
Haftara: Schoftim 13:2 – 25

Hier können Sie das Daf als PDF herunterladen: Daf Nasso 5779

Die Parascha in Kürze
• Alle Lewi’im im Alter von 30 bis 50 Jahren werden gezählt
• Die Gesetze über die Sota – die Ehefrau, die von ihrem Mann des Ehebruchs verdächtig wird
• Die Gesetze über den Nasir, der geschworen hat, sich des Weins und seiner Produkte zu enthalten
• Die Opfer aller 12 Stammesfürsten

Konzept der Woche
כֹּל יְמֵי נִזְרוֹ קָדשׁ הוּא לַה‘ :

„Die ganze Zeit seiner Nasirut ist er Haschem heilig (6:8).“

Ein Nasir ist ein Mensch, der für eine bestimmte Zeit es auf sich genommen hat, keinen Wein oder Traubenprodukte zu konsumieren und sich weder Haare noch Bart zu scheren. Während dieser Zeit soll er nicht mit einer Leiche in Berührung kommen. Der Midrasch vergleicht einen Nasir mit einem Kohen Gadol (Hohepriester), weil er auf einem ähnlich hohen spirituellen Niveau steht. Wenn dem so ist, wieso muss dann der Nasir am Ende der vorgesehenen Zeit Opfer bringen, darunter auch ein Sündopfer: וְכִפֶּר עָלָיו מֵאֲשֶׁר חָטָא – und erwirke ihm Sühne dafür (6:11)? Unsere Rabbiner fragen, welche Sünde der Nasir begangen hat.
Raschi erklärt und zitiert die Gemara in den Traktaten Bava Kamma 91b und Ta‘anit 11a, wo im Namen von Rabbi Elasar HaKappar konstatiert wird, dass jeder, der gelobt, ein Nasir zu sein, ein Sünder ist. Rabbi Elasar sagt, dass Haschem dem Menschen weltliches Wohlbehagen zur Verfügung stellt, das er genießen darf. Durch die freiwillige Enthaltsamkeit erfüllt ein Nasir nicht den Willen G-ttes und wird daher als Sünder betrachtet. Unsere rabbinischen Kommentatoren versuchen, diese gegensätzlichen Ansätze zu verstehen: wie kann jemand ein Sünder und gleichzeitig auf einem hohen spirituellen Niveau sein?
Kli Jakar (Rabbiner Schlomo Ephraim Luntschitz, 1550-1619) ist der Ansicht, dass ein Nasir die Zeit seiner Enthaltsamkeit dazu benutzt, sich von einem Menschen, der durch körperliches Begehren zur Sünde verleitet werden konnte, in eine Person zu verwandeln, die auf einer höheren spirituellen Stufe steht. Als Nasir ist er wirklich קָדוֹשׁ – heilig – aber da er es soweit hat kommen lassen, dass er die Notbremse der Nasirut hat ziehen müssen, hat er zuvor gesündigt. Des Weiteren stellt der Kli Jakar fest, dass alles, was man tun muss, sei es, weil die Tora es gebietet oder weil man ein Nasir-Gelübde auf sich genommen hat, in Gefahr ist, vom Jetzer Hara (böser Trieb) hintertrieben zu werden. Das wird in der Gemara in Traktat Kidduschin 31a angemerkt, wo es heißt, dass ein Mensch eine größere Belohnung für eine Mitzwa bekommt, die die Tora ihm gebietet, als für eine Mitzwa, die er freiwillig tut. Der Jetzer Hara versucht nämlich immer, jemanden von der Ausführung einer Mitzwa abzubringen. Die Gebote der Tora müssen allerdings erfüllt werden, auch wenn man damit den Jetzer Hara auf Hochtouren bringt. Es gibt allerdings keinerlei Grund, sich weitere Gebote aufzuerlegen und damit Gefahr zu laufen, sein Gelübde nicht zu erfüllen. Die Tora schützt und hilft jemandem, der sich ehrlich bemüht, die Tora-Gebote zu erfüllen, aber steht nicht jemandem zur Seite, der sich selbst weitere Einschränkungen auferlegt.
Am Ende der Betrachtungen über den Nasir in unserer Parascha, sagt die Tora: וְאַחַר יִשְׁתֶּה הַנָּזִיר יָיִן (6:20) – am Ende soll der Nasir Wein trinken. Rabbenu Bachya (spanischer Rabbiner des 13./14. Jhd.) versteht die Tora so, dass der Nasir am Ende seiner Nasirut wieder aktiv an den Genüssen des weltlichen Lebens teilnehmen soll, die Haschem für die Menschen geschaffen hat. Nachdem der Nasir sich davon zurückgezogen hatte, lehrt ihn die Tora, dass das höchste Niveau des Dienstes vor Haschem darin besteht, dass er weltliche Genüsse in Maßen benutzt, um G-tt zu dienen. Damit steht er auf einer noch höheren Stufe als durch Enthaltsamkeit.

Frage der Woche: Was lernen wir aus dem Vers: „אִישׁ אוֹ־אִשָּׁה כִּי יַפְלִא לִנְדֹּר נֶדֶר נָזִיר – wenn ein Mann oder eine Frau ein Nasirutgelübde tut…“ (6:2)? Antwort, s.G.w., im nächsten Daf.
Antwort auf die zuletzt gestellte Frage: Warum heißt es in Vers 1:1, dass Haschem בְּאֹהֶל מוֹעֵד mit Mosche spricht, aber im Sefer Wajikra 1:1 steht מֵאֹהֶל מוֹעֵד ? Kli Jakar erklärt, dass im Sefer Wajikra Mosche nicht ins Ohel Mo‘ed hineingehen konnte, weil die Wolke darauf ruhte: daher sprach Haschem aus dem Ohel Mo‘ed.
Biographie der Woche

Rabbi Jitzchok Jakow Weiss

Minchas Jitzchok

Jahrzeit 11. Siwan

Rabbi Jitzchok Jakow Weiss wurde 1902 im galizischen Dolyna geboren. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges zog seine Familie nach Munkacz in Ungarn, wo sein Vater der geistliche Führer der dortigen jüdischen Gemeinschaft wurde.
In der Zwischenkriegszeit wurde Rabbiner Jitzchok Jakow Weiss zum Aw Beis Din in Grosswardein/Rumänien berufen. Er überlebte die Schoa im Versteck und versuchte nach Kriegsende zunächst, die jüdische Gemeinde in Grosswardein wiederaufzubauen. Aber das kommunistische rumänische Regime ließ diesen Versuch bald scheitern und Rabbi Weiss fand sich 1949 in Manchester/England ein, wo er bald zum Dajan und Aw Beis Din berufen wurde. Er trug nicht nur entscheidend zum Aufbau der orthodoxen Infrastruktur in Manchester bei, sondern machte sich vor allem auch einen Namen durch seine einfühlsamen Entscheidungen in den Fällen jüdischer Witwen, deren Männer im Krieg verschollen waren. Dadurch war es vielen jungen Frauen möglich, wieder zu heiraten.
1970 wurde er in die Edah Charedis in Jerusalem berufen, eine der führenden orthodoxen rabbinischen Organisationen Israels, und wurde 1979 deren Aw Beis Din, eine Position, die er bis zu seinem Tod im Jahr 1989 innehatte. Er verfügte über ein immenses Wissen und bemühte sich auch in der Edah Charedis um Ausgleich.
Dajan Weiss war einer der bedeutendsten zeitgenössischen Poskim (halachische Dezisoren). Sein neunbändiges Werk Minchas Jitzchok, unter dessen Namen er auch bekannt ist, enthält Responsen zu vielfältigen Fragen der modernen Technologie und vor allem auch zur Medizinethik. Seine Ansichten zu vielen Fragen in diesen Gebieten werden bis zum heutigen Tag bei halachischen Entscheidungen in Betracht gezogen.
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