Aug ‍‍2010 - תשע / תשעא

Aus Liebe zum Land

Warum Zionismus und Religion zusammengehören

Theodor Herzl war kein besonders religiöser Mensch. Dennoch nehmen wir auch als gläubige Juden für uns in Anspruch, gute Zionisten zu sein. Warum auch nicht? Zionismus und Religion widersprechen einander nicht. Ganz im Gegenteil. Der Staat Israel hat im religiösen Sinne eine ganz besondere Bedeutung für unsere eigene Identität. Wenn wir in die Tora schauen, sehen wir: Jedes Mal, wenn G’tt unseren Vorvätern erschien, um Verheißungen zu machen, dann versprach er ihnen, dass sie zu einem großen Volk werden und das Land Israel in Besitz nehmen würden. Dort sehen wir, dass Religion und Zionismus untrennbar miteinander verbunden waren – und bis heute eine Einheit bilden.

Es gibt die Tendenz, dass wir Juden gar nicht gefragt werden, ob wir für Israel eintreten oder uns der jüdische Staat egal ist. Die Umweltgesellschaft verbündet sich, und Kritik an Israel schlägt in Antisemitismus um. Wir sind damit konfrontiert, ob wir wollen oder nicht.

Aktiv verteidigen

Dann stehen wir vor der Frage, ob wir für den Staat Israel aktiv eintreten sollen. Unsere Schriften sagen uns, dass dies aus verschiedenen Gründen sehr wichtig ist. »Kol Israel arewim sze lesze«, wir haben eine gemeinsame Bürgschaft, um die wir nicht herum kommen. Ob wir in Berlin oder Beer Schewa, in Köln oder Kirjiat Schmona leben – wir sind als Volk miteinander verbunden. Darüber sollten wir uns im Klaren sein. Israel kann uns nicht egal sein. Wie sich das auswirkt, ob wir das Land aus der Diaspora unterstützen oder meinen, wahre Solidarität nur mit der Alija zeigen zu können, das ist eine Frage der Ausrichtung und Strömung. Unsere Überlieferungen sehen die Bedeutung im Land Israel und seiner Besiedlung, der religiöse Zionismus unterstützt das Gebilde des Staates und dessen weitere Entwicklung. Von diesem Standpunkt aus ist jeder einzelne Jude direkt damit verbunden, was in Israel vor sich geht.

Natürlich darf man Kritik üben. Aber dass man grundsätzlich Position für Israel bezieht, ist eine Selbstverständlichkeit. Probleme mit der Politik von Avigdor Lieberman, kein Verständnis für die Aktion gegen die Gaza-Flottille, Zweifel an der Siedlungspolitik? Über diese Themen kann man selbstverständlich diskutieren. Der Disput ist Teil unseres demokratischen Selbstverständnisses. Doch dürfen wir das nicht verwechseln mit unserem Auftreten nach außen, bei dem solche Kritik auch schnell als Delegitimierung der Grundsätze missverstanden werden kann. Israels Existenzrecht und das Recht auf Selbstverteidigung stehen außer Frage. Das müssen wir immer wieder deutlich machen.

Der religiöse Zionismus sieht die Lage nicht schwarz-weiß. Die Realität ist komplexer. G’ttliche Programme schlagen sich in der Menschheit nieder und machen eine Entwicklung durch. Das war schon immer so, es gab in der Geschichte nur wenige Momente des vollkommenen Ideals. Auch da ist immer die Frage, ob das Ideal wirklich vollkommen war. Es scheint so, als ob G’tt Kompromisse eingeht, um sein Programm zu verwirklichen. Und diese Kompromisse nennen sich dann Menschlichkeit, menschliche Freiheit, freier Wille. Im religiösen Zionismus ist der Staat Israel ein Stück dieses g’ttlichen Programms. Aus diesem Staat heraus kann dann die endgültige Erlösung, als »reschit zmichat Geula-tenu«, kommen. Wir hoffen darauf und beten jeden Tag dafür.

Zionismus heute

Der heutige Zionismus weist im religiösen Bereich eine viel stärkere Basis auf, blüht und entwickelt sich. Dies ist im säkularen Lager eher rückläufig. Wenn man Israel als säkulares Gebilde versteht, so wie andere Staaten, dann lässt sich nicht mehr erklären, warum dieses Land so viel leiden muss, um dieses Ziel zu erreichen. Die Verbindung mit unseren Quellen und unserer Herkunft ist ein zentrales Moment des Zionismus. Das Visionäre hat darin einen fruchtbaren Boden. Selbst in den Strukturen macht sich das bemerkbar: Im Juni wurde mit Avraham Duvdevani erstmals eine religiöse Persönlichkeit an die Spitze der World Zionist Organization (WZO) gewählt.

Die Verbindung zwischen Religion und Zionismus funktioniert in beide Richtungen. Oft finden Diasporajuden, die ohne eine natürliche Bindung an den Staat Israel aufgewachsen sind, ihre Liebe zum Land über jüdische Bildung, über unsere Schriften und über die Religion. Was Herzl wohl dazu sagen würde? Ich weiß es nicht. Klar ist: Sein Traum von einer jüdischen Heimstätte ist wahr geworden. Vielleicht hätte er sich gewünscht, dass sie irgendwo anders auf der Welt entstanden wäre, ohne die vielen Konflikte mit den Nachbarn. Doch dann würde sich irgendwann die Frage stellen, wie jüdisch diese Heimstätte wäre. Sollte Israel ein säkulares Gebilde sein, so wie andere Staaten? Nein. Denn dann wäre es kein Staat mehr, der das jüdische Volk auf der ganzen Welt verbindet und vereint.

Der Autor ist Rabbiner der Synagogen-Gemeinde Köln