Mrz ‍‍2018 - תשעח / תשעט

Enttäuschung oder Herausforderung:

Über die Kinder in der Pessach-Haggada

Die Einführung eines „Elternführerscheins“ wird von manchen Eltern und Kindern gefordert. Kinder werden aus Liebe und für die Liebe zur Welt gebracht. Die Eltern sorgen für ihre Ernährung, Bekleidung, Gesundheit und bringen ihnen auch das Sprechen bei. Es ist uns aber bekannt, dass all das noch nicht alles ist, was ein Mensch für das Leben braucht. Ein Mensch braucht auch Verstand und Vernunft, um Situationen richtig einschätzen zu können. Er soll die Lebenssituationen und sein Verhalten auch analysieren können. Er braucht Werte, nach denen er sein Leben einrichtet.
Wie werden aus Kindern Menschen?
Kinder spiegeln das wider, was sie zuhause sehen. Kleine Kinder erzählen oft, was zuhause passiert. Ihren Eltern gefällt das nicht unbedingt. Kinder ahmen das Verhalten der Eltern nach, das bringt uns oft zum Lachen. Gefällt es uns aber immer…? Je nachdem, ob sie sich gut oder schlecht benehmen.
Der Einfluss der Eltern auf ihre Kinder ist groß. Nicht nur, weil wir in einem Haus leben, sondern weil wir die Erwachsenen sind, die den Kindern am nächsten stehen und denen sie in dieser großen Welt am meisten vertrauen können.
Dennoch erleben auch viele Eltern Widerstand von ihren Kindern. Egal, wie groß oder klein die Kinder sind, prüfen sie die Grenzen oder zeigen sich mit ihren Eltern unzufrieden. Es kann mit einfachen Fragen beginnen, wie das Essen schmeckt oder welche Farbe das T-Shirt hat, endet aber leider nicht selten mit der Frage, ob man die Weltanschauung seiner Eltern teilt.
Die Eltern reagieren unterschiedlich auf den Widerstand ihrer Kinder. Es ist klar, dass man mit dem Widerstand nicht zufrieden ist. Es nimmt Zeit und Kraft in Anspruch, aber vor allem ist man davon enttäuscht. „Was haben wir falsch gemacht, dass unsere Kinder anders sind als wir?!“, fragen sich Eltern oft. Man ärgert sich und zeigt es den Kindern auch. Die eigene Enttäuschung wird auf sie übertragen (hoffentlich nicht gewalttätig). Im extremen Fall reagieren die Eltern gar nicht, weil es ihnen egal ist, was mit ihrem Kind passiert. Sie übernehmen keine Verantwortung mehr und lassen es so leben, wie das Kind es versteht, ohne jegliche Reaktion von einer ihm nahestehenden erwachsenen Person.
„Übe den Knaben gemäß seinem Wandel,
auch wenn er alt wird, weicht er nicht davon“ (Sprüche 22,6)
Der Versuch der Kinder, einen anderen Weg zu finden, darf die Eltern nicht enttäuschen, sondern muss sie noch mehr herausfordern. Kinder und Jugendliche sind selbst auf der Suche. Sie folgen bestimmten Wegen und Ideen, parallel dazu aber schauen und prüfen sie, wie man darauf reagiert. Nicht nur wenn es um ihre Frisur oder neue Kleidung geht, fragen sie uns, wie es aussieht. Auch und vor allem wenn es um noch entscheidendere Dinge geht. Die Frage ist nur, wie wir reagieren.
Die gleichen Eltern haben es geschafft, vier sehr unterschiedliche Kinder großgezogen zu haben. Wie kann das sein? Hat sich etwas bei den Eltern im Laufe der Zeit verändert? Sind die Eltern mehr oder weniger geduldig gewesen? Das kann sein, aber das ist wohl nicht der einzige Grund.
Unterschiede Kinder haben unterschiedliche Charaktere, die Eltern verstehen das aber nicht immer. Jedes Kind ist eine Welt für sich. Das eine ist geduldig, das andere nicht, das eine neugierig, das andere nicht. Alle sind lieb, manchen fällt es aber schwer, es zu zeigen. Manche äußern sich gerne und manche gar nicht. Dass alle die gleichen Eltern haben, heißt noch lange nicht und vielleicht sollte es auch gar nicht heißen, dass alle gleich sein werden. Jedes Kind ist individuell und verdient, den eigenen Zuspruch und einen individuellen Erziehungsweg von seinen Eltern und von seinen Lehrern zu bekommen. Am Ende werden alle Kinder das gleiche Wissen bekommen. Das lehrt uns die Pessach-Haggada, indem sie eine Antwort auf die Fragen der Kinder gibt.
Die vier Kinder in der Pessach-Haggada Aber die erste Reaktion der Eltern auf die Fragen der Kinder darf und muss unterschiedlich sein. Der schlaue Sohn erhält eine Information, die ihn weiter neugierig macht, um mit uns in Diskussion zu bleiben. Der Böse bekommt zu verstehen, dass die Aggression keinen Platz bei uns hat. Er muss seine Fragen, so schwer sie auch sind, mit Vernunft formulieren, sonst fällt es uns schwer, mit ihm zu diskutieren. Der Naive bekommt Informationen, die er braucht, um zu verstehen, worum es überhaupt geht. Und in dem Kind, das keine Fragen zu stellen weiß, muss von uns Interesse am Geschehen geweckt werden, damit es auch etwas lernt.
Gerade in der Nacht des größten Widerstandes, in der Nacht des Auszugs aus Ägypten, begegnen wir dem eigenen familiären Widerstand und lernen dabei, wie wir unseren Kindern helfen können, ihren eigenen Auszug und Ihren eigenen Weg im Leben nach den richtigen Werten zu finden und gestalten.

Aus: JGZ FFM -03/2018