Mrz ‍‍2018 - תשעח / תשעט

Der Zusammenhang zwischen Pessach und Schawuot

Der Zusammenhang zwischen Pessach und Schawuot
Was mich immer wieder fasziniert an der Thora, ist, dass sie bei jeder Lesung und mit jedem Kommentar an Tiefe und Zeitlosigkeit gewinnt!

Ebenso hat die Zeit zwischen Pessach und Schawuot viele Schichten. Ursprünglich, so erfahren wir aus der Thora, beginnt mit Pessach die Zeit der Ernte der Feldfrüchte. Jeden Tag wurde daher ein „Omer“, also etwa 1,56 Kilo, Getreide (Gerste) im Tempel dargebracht. Nach 7 x 7 Tagen wurde an Schawuot − dem Wochenfest − ein Erntedankfest begangen. Die Rabbiner weisen aber darauf hin, dass diese 49 Tage auch die Zeit war, die das jüdische Volk vom Auszug aus Ägypten bis zum Berg Sinai brauchte, wo sie am 50. Tag die Thora erhielt.
Das jüdische Exil Nach der Zerstörung des 2. Tempels wurde der Bar-Kochba-Aufstand niedergeschlagen und in jenen Tagen fanden auch 24.000 Schüler des Rabbi Akiva den Tod. Der Talmud erklärt dazu: „Weil sie einander nicht genug ehrten.“ Historisch muss man begreifen, dass seither das jüdische Exil andauert und die Hoffnung auf die endzeitliche und endgültige Erlösung durch den Maschiach seither anhält.
Darum wandelte sich die Omerzeit, mit Ausnahme des 33. Tages – Lag Ba‘Omer – in eine Trauerzeit, in der man weder heiraten noch andere Feiern begehen darf. Viele Pogrome des Mittelalters fielen in diese Zeit, was die Trauervorschriften weiter bekräftigte.
Als am 14. Mai 1948, also am 5. Ijjar 5708, der Staat Israel unabhängig wurde, war dies der 20. Tag der Omerzählung. Wie sollte man nun religiös mit diesem Tag umgehen?! Immerhin hatte man fast 2000 Jahre lang in dieser Zeit getrauert? Doch der politische Zionismus war vor allem vor dem Krieg auch in vielen jüdischen Kreisen verpönt.
Die ultrareligiösen Gruppierungen sahen in den säkularen Gründungsvätern des Staates Israel Feinde des religiösen Judentums, so galt dieser Tag als Widerspruch zum g‘ttlichen Willen. Der Satz aus dem Hohelied: „…weckt nicht auf, erweckt nicht die Liebe, bis es ihr gefällt!“, wurde für das traditionelle Judentum zur Grundlage des Verständnisses, dass es dem Menschen untersagt sei, die g‘ttliche Erlösung zu forcieren.
Auch bei vielen Vertretern der Reformbewegung galt der politische Zionismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts als unerwünscht. Sie hatten ein halbes Jahrhundert darum gerungen, von der deutschen nichtjüdischen (bürgerlichen) Bevölkerung als ihresgleichen anerkannt zu werden. Man unterscheide sich lediglich im Glauben; auf nationaler Ebene sei man ebenso deutsch wie christliche Deutsche. Daher auch die poetische Begriffsfindung jener Zeit: „Deutscher mosaischen Glaubens“.
Wenn auch beide Entwicklungen mit dem Grauen der Shoah nichts zu tun haben, so änderte die Shoah die Situation grundlegend. Nach den dunkelsten Jahren, die die Menschheitsgeschichte je erlebt hat, selbst im Vergleich mit den Jahrhunderten zuvor, die Vernichtung von ganzen Gemeinden, in denen die Vertreibung aus Ländern und Kontinenten erlitten wurde, war die Shoah dazu angetan, selbst das letzte Fünkchen Hoffnung zu ersticken. In dieser Schockstarre entstand der Staat Israel.
Heimat Der unendlichen Trauer ein Aufflackern des Trostes gewährend, ein Hort der Zuflucht, ein Gefühl des endlich Heimkommens und wieder Geborgenseins. Anstelle der Ablehnung gegen einen eigenständigen jüdischen Staat trat das Gefühl: hätte es ihn doch nur schon ein Jahrzehnt früher gegeben. Das spiegelt sich auch in der Liturgie, die das Oberrabbinat von Israel vorgesehen hat. Zunächst begeht man Jom Ha‘Shoah – eine Woche später dann Jom Hasikaron und mit dessen Ausklang beginnt Jom Ha´azmaut. An ihm sagt man das Hallel und die strengen Trauergebote der sind aufgehoben.
Das Haus Israel In diesem Jahr begehen wir den 70. Geburtstag des Staates Israel. Zeit, einen Blick in die Thora zu werfen. Das 2. Buch Moses erinnert nicht nur durch seinen lateinischen Namen „Exodus“ an Ereignisse, die zur Staatsgründung geführt haben. Die ersten vier Wochenabschnitte handeln von der Sklaverei in Ägypten und dem Auszug. Sie berichten auch, noch vor dem Erreichen des Berges Sinai, vom Kampf mit dem antisemitischen Proto-Volk Amalek. Die nächsten zwei Wochenabschnitte beschreiben dann den Erhalt der Zehn Gebote und die darin beinhalteten Gebote im Detail. Und dann wird in fünf (!) Wochenabschnitten aufgezeigt, wie die Stiftshütte zu bauen ist, und wie sie gebaut wurde. Wenn wir der Tradition folgen und die Beziehung zwischen Israel und G’tt mit der zwischen Liebenden vergleichen, dann ist der Auszug, Pessach, vergleichbar mit der Verlobung, die junge Liebe wird gerettet und folgt dem Retter voller Vertrauen in die Wüste. Schawuot ist die Chuppa, die Bundestafeln symbolisieren die Ketuba. Aber das Ziel ist nicht die Hochzeit, sondern das gemeinsame Haus, das gebaut wird. Jedes Detail ist wichtig und wertvoll, es wird die Zukunft, das Miteinander beeinflussen.
Es mag noch immer Menschen auch aus unseren Reihen geben, die aus religiösen oder politischen Gründen unzufrieden sind mit Israel. Aber es ist unser Haus und unsere Aufgabe, daran mitzuwirken, dass es stabil und stark ist, um uns allen Heimat zu sein.
Aus: JGZ – Frankfurt 03/2018